Zweites Kapitel.
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Nordische Bildnerci von
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endlich in S. Jakob rmd in S. Marien zu Stendal wiederholt. In beiden
letzteren Kirchen stehen diese grossen Statuen noch im Zusammenhang
mit de1' ganzen, in reich durchbrochenem Sohnitzwerk ausgeführten Scheide-
wand des Chores, die in S. Jakob mit den Apostclstatuen und der Krönung
Mariä, in der Marienkirehe mit den Apostelbildern geschmückt ist. Denn
in letzterer Kirche kommt der prächtige Marienaltar gleichsam als Ab-
schluss dieses vielleicht einzig in seiner Art noch erhaltenen Ganzen hinzu.
Die Zeit der Ausfiihrmig fällt in die letzten Deeennien des 15. Jahrhun-
derts. Den derb realistischen, leidenschaftlich bewegten Styl vertritt
dann der prachtvolle Flügelaltar der lilarienkirche zu Salzwedel, der in
dreissig ausdrucksvoll entwickelten Reliefbildern das Leben und Leiden
Christi, in der Mitte die Kreuzigung schildert. Oben sieht man unter
zierlichem Baldaehin ein Standbild der Himmelskönigin. So hat Maria
hier, wie fast überall in norddeutschen Sehnitzwerken, mit dem Eindringen
des Realismus zurücktreten und den für die veränderte Zeitstimmung be-
zeichnenden Schilderungen der Passion das Feld räumen müssen. Aehn-
liehe, nur noch spätere, dabei auch wildere und rohere Darstelhuigen der
Leidensgeschichte sieht man an einem Altar der Kirche zu Seehausen,
während ein kleinerer stark beschädigter Seitenaltar ebendort noch den
idealen Styl der früheren Zeit vertritt.
Endlich fehlt es auch in Schlesien nicht an Beispielen der Holz-
sculptur, obwohl dieselben meistens von untergeordnetem Kunstwerth
sind und sich nicht zur selbständigen Bedeutung einer eigenthünllichen
Schule erheben. Zwei rohe Altäre dieser Art, der eine von 1498, sieht
man in der Elisabethkirche zu Breslau"). Ein bedeutendes Werk, etwa
aus deriMitte des Jahrhunderts, ist dagegen der grossartige lliarienaltar
derselben Kirche. Der Schrein enthält in derben wirksam gearbeiteten
Figuren die bekannte mystische Darstelltmg der Maria mit dem Einhorn
auf dem Schoosse, daneben den Engel der Verkündigung auf dem Hüft-
horn blasend, sodann J ohanncs den Täufer und die h. Elisabeth mit dem
Kirehenmodell. Darüber in musterhaft klarem Aufbau die Krönung liiariät
mit Christus und Gottvater; noch weiter oben die thronende Himmels-
laönigin sammt musizirenden Engeln. Den anmuthigen Styl dieser früheren
Zeit befolgen auch zwei Schnitzaltäre der Corpus-Christikirehe da-
selbst. Derb und tüchtig ist wieder das Sehnitzwerk eines Altars in der
Schlesiscl
Sohn itz-
werke.
Vergl. meinen Aufsatz in der Berliner Zeitschr. für Bauwesen 1856. Dazu
die eingehenderen Untersuchungen von A. Schult: in den Wiener Liittheil. 1862
Novemberheft. Endlich Dr. Luchs, die S. Elisabethkirche zu Breslau 1560, und
IV. Weingärtner in den Mitth. von 1863.
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