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Viertes Buch.
Freisculptur und überfüllen auch den lllittelschrein am liebsten mit jenen
vertieften, rein malerischen Darstellungen heiliger Geschichten, die wir
schon keimen lernten. Mehr als anderswo sind hier die Scenen der
Passion beliebt, deren eckige, übertriebene Schilderungen der Seulptur
dieser Zeit weit mehr Anlasszur Entfaltung ihrer Schwachen, als zum
Geltendmaehen ihrer Vorzüge geben. Wir können uns hier um so kürzer
fassen, da es an eingehenden Sc-hilderimgen und Veröffentlichungen dieser
Denkmäler-Gruppe nicht fehltt). Zu den tüchtigsten Werken gehören
die Altäre im Dom und in der Marienkirche zu Frankfurt a. M; ferner
der in die Ambrasersammlung nach Wien gelangte Altar der Kirche zu
Pfalzel, mit Passionsseenen (Fig. 170); die Altäre in der lliartinskirehe
zu Münster-Maifeld, zu Adenau, die ziemlich späten zu Euskirehen
und Zülpich; ferner ein Altar in S. Peter zu Köln und ein andrer schon
aus vorgeschrittener Zeit des 16. Jahrhunderts im Dome daselbst; weiter
abwärts endlich die bedeutenden aber späten Altäre im Münster zu
Xanten und in der Klosterkirche zu Calear.
Ueberaus reich an Werken dieser Art ist sodann Westfalen"), das
in seinen Seulpturen wie in den Gemälden den vom Rhein empfangenen
Styl mit selbständiger Empfindung ausbildet. Bemerkensiverth ist hier
die grosse Anzahl von Schnitzarbeiten, die noch im 15. Jahrhundert den
idealeren Styl der früheren Epoche in Gewandung und Gesiehtsausdrucl:
festhalten und doch in den Gegenständen schon die Lieblingsthemata
dieser späteren Zeit, namentlich die Passion, vielfach variiren. Zu den
früheren Werken sind hier zu rechnen die Altäre in der Oberen Pfarr-
kirche zu Iserlohn, in der Jakobskirehe zu Koesfeld, der Johannis-
kirehe zu Osnabrück sowie der benachbarten kleinen Kirche zu Bissen-
dorf; ferner in den Kirchen zu Windheim bei Blinden, zu Schil-
desche bei Bielefeld und zu Kirchlinde bei Dortmund. Dann erst tritt
gegen Ausgang des '15. Jahrhunderts der leidenschaftlich bewegte, un-
ruhig realistische Styl in einer Menge von Beispielen auf. Eins der vor-
züglichsten Werke dieser Art ist der HOCl121lt2ll' der Pfarrkirehe zu Vred en;
ein andrer in der kleinen Kirche zu Hemnierde bei Unna wurde 1489
durch [Kam-ad Borgelrik aus Braunschweig gearbeitet. Auch andere un-
bedeutende Kirchen, wie die des benachbarten Rhyncrn haben prächtige.
Schnitzaltäre. In S. Nikolai zu Bielefeld ist ein ähnlicher vom Jahre
1509, in der Kirche des bcnaehbartenDoi-fes lilngcr ein andrer vom
i) Vergl. F. Kugluz-"s Rhcinreise in den K]. Schriften Bd. II. ])a,zu die sch
baren Abbildungen in E. uusün, Denkmälern.
M) Näheres in meinem Buche über die westfälische Kunst des Mittelalters.