Zweites Kapitel.
Nordische Bildnerei von 1450
1550.
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i-igen lileister gearbeitet worden sein, obwohl seine Richtung sich daran
zu erkennen giebt, und Neudörifer es ihm zusohreibt. Der Körper Christi
ist vortredlich dnrehgebildet, der Kopf, so weit man urtheilen kann, edel.
Johannes ist mit der sanften Neigung des Hauptes ausdrucksvoll charak-
terisirt, auch die Gestalt, trotz bauschender Faltenmassen, deutlich be-
zeichnet. Nur Maria's Gewand ist ganz knitterig, und ihr Gesicht keines--
wegs edel. Ob endlich von den lebensgrossen Bildern Adams und
Eva's, die der Meister für den König von Portugal gearbeitet, noch Etwas
vorhanden, wissen wir nicht. Neudörifer rühmt, sie seien "solcher Gestalt
und Ansehens, als waren sie lebendig, davor sich einer entsetzot, so man
sie betrachtet und beschanet."
Wir müssen nun beträchtlich zurückgreifen, um ein vollständiges
Bild von der Entwicklung der Nürnberger Holzseulptur zu gewinnen.
Denn als Stoss 1496 dorthin kam, hatte die Atiffassilng der neuen Zeit
sich schon seit geraumer Zeit Bahn gebrochen und eine Reihe von Werken
hervorgebracht, deren Urheber, obwohl sie uns dem Namen nach unbe-
kannt sind, alle Beachtung verdienen. An (einigen Arbeiten, die bald nach
1450 fallen mögen, kann man den [Tebcrgang aus der Behandlung des
Mittelalters in die der neuem Zeit nachweisen. In der Sebaldskirche
steht an einem Chorpfeiler ein grosses bemaltcs Hoehreliefbild der Himmels-
königin. Sie halt in zierlichen] Ungeschick auf beiden Armen (len (lerben
Jungen, der sich ungebärdig streckt und sträubt und mit einer Birne
spielt. Zwei kleine Engel strengen sich auf's Aeusserste an, ihr die Krone
auf's Haupt zu drücken, indess zxrei andere zu ihren Füssen die Mond-
sichel halten, auf welcher sie steht. W ahrentl nun das starke Einbiegen
der Gestalt, die unter einer Masse prachtvoll fliessender, noch in gothi-
schem Schwunge geworfcner Falte-n fast versrwhwindet und unverhältniss-
massig schwer erscheint, noch an die frühere Epoche erinnert, ist das
etwas leer lächelnde Gesicht mit der breiten Stirn (lurchaus individuell,
wenngleich noch ohne portraitartige Schärfe. An einem" anderen Altar
derselben Kirche sieht man in zierlicher vergoldeter und bemalter Schnitz-
arbeit die lilaria mit der h. Anna, zwischen ihnen das Christuskind, auf
einer Bank zusamlnensitzen. Die Grossnlutter liest eifrig aus einem Ge-
betbuehe vor, aber der Kleine greift lebhaft nach der Kugel, welche lilaria
in der Hand hält. Es ist ein liebcnsxrürdiges Werk von runden, weichen
Formen und bezeichnet ebenfalls den Uebergang von der gothisehen Kunst
zur neueren Auffassung, und zwar auf noch etwas früherer Stufe. Geringer
sind die vier Heiligen, die hinter der Hauptgruppe stehen.
Der entschiedene Umschwung in den Realismus scheint in Nürnberg
gegen H70 eingetreten zu sein. Unter den thät-igsten Meistern ist lHirers
Nürnbergs
Holzsculptxlr
vor Stoss.
N ithael
Wohl-
gemuth.