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Viertes Buch.
lebensgrossen Statuen der Maria mit dem Kinde und der beiden Johannes.
Die Köpfe sind von feiner Form, nur der Madonnenkopf ist etwas leer
und gross, eine kalte Schönheit; doch so, dass man ihn dem Veit Stoss
wohl zutrauen kann, da in seinen früheren Werken die Keime zu solcher
Entwicklung wohl vorhanden sind. Die Gewänder, etwas bausehig, aber
grossartig entworfen, scheinen mir von seiner Art. Das Kind ist naiv
und lebendig an einer 'l'raube naschend dargestellt. Die beiden Heiligen
sind etwas conventionell in der zurüekgebogenen Haltung, besonders Jo-
hannes der Täufer; ganz fein belebt die Hände. (Die in der Nähe ste-
hende Statue des Dionysius ist ein gediegenes Werk von vollkommen
durchgeführter Gewandung, der Kopf von milder Wehmuth umtlort. Es
schien mir von anderer, aber ilicht minder trcfflicher Hand.)
Am meisten dem Veit Stoss verwandt in den Vorzügen, aber auch in
den Mängeln des Styles scheint mir in einer Kapelle derAegidienkirche
das Flachrelief eines englischen Grusses: der Flngel recht schön, die Hände
fein, nur die Madonna etwas steif. Ebenfalls seiner Art entsprechend in
der J akobskirche, die ein ganzes Museum von Nürnberger H0lz- und
Steinsculpturen ist, ein Altar mit der Freigruppe der h. Anna, welche das
Christuskintl auf dem Schoosse und die neben ihr stehende Maria im Arme
hält. Diese faltet fromm die Hände und blickt mit dem schönen Oval-
köpfehen etwas theilnalnnlos aus dem Bilde heraus. Köstliches Locken-
haar iiiesst über ihre Schultern herab, die Gewandung ist schwungvoll
geworfen; nur Haltung und Ausdruck der h. Anna sind ilieht sehr ge-
lungen, und die_Gruppe hat kein schönes Gleichgewicht. Da aber Veit
Stoss ein Meister in der Anordnung ist, so dürfte hier lteins seiner eigenen
Werke, sondern die Arbeit eines unter seinem Einfluss stehenden Künst-
le1's anzunehmen sein. Neben diesem Altare ist auf zwei Konsolen die
Heimsuchung durch die Einzelgestalten der Maria und Elisabeth darge-
stellt. Die Elisabeth ist von geringerem Werthe, die Maria dagegen in
dem hastigen Schreiten, dem kühnen Schwung des wehenden Gewandes
und der edlen Schönheit des feinen Ovalkopfes ein achter (iedanke des
Meisters. Endlich tragen das volle Gepräge seines Geistes und seiner
Hand zwei Relieftafeln der Verkündigung und Beschneidung im Besitze
des Herrn Bruno Lindner in Leipzig. Sie stehen der Krönung Mariä.
auf der Bu1'g im Styl am nächsten. Eine ähnliche und nicht minder werth-
volle Krönung der Jungfrau, von durchaus gleicher Anordnung wie jene,
findet sich im Chorumgang der oberen Pfarrkirche zu Bamberg. Da-
gegen wird das grosse Kruzifix mit Maria und Johannes auf dem Hoch-
altar von S. Sebald aus dem Jahre 1526, welches man als das letzte
Werk von Veit Stoss bezeichnet, schwerlich von dem damals ettva Sßjäih-