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Viertes Buch.
M aclonlaa
der
Frauen-
kirche.
Englischer
Gruss.
Rosenkranz-
tafel.
oder durchgeistigten lälrauenköpfe des Meisters. Christus hat einen unbe-
deutenden Ausdruck, aber in dem prächtigen Kopfe Gottvaters ist, wenn
auch nicht gewaltige Kraft, so doch milde, väterliche Würde.
Vom Jahre 1504 ist sodann in der Frauenkirche die grosse
Madonnenstatue auf dem Altar des rechten Seitenschidest). Hier erhebt
sich der Meister zu freier Grossartigkeit des Styles; Gewand und Gestalt
sind trefflich entwickelt, Wenngleich die Falten mehrfach an scharfen
Brüchen leiden; im Kopfe herrscht königliche Anmuth. Zurückgeneigt,
hält sie mit reizender Handbewegung das Kind, das nackt in muthwilliger
Bewegung sich vorwärts drängt. Nur der Kopf des Ohristkindes ist
minder gelungen. Das Hauptwerk des Meisters ist aber der Englische
Gruss der Lorenzkirche, von dem Patrizier Anton Tueher 1518 ge-
stiftet. I11 der Mitte des Chores hängt das kolossale Werk vom Gewölbe
herab. Die Begrüssung des Engels hat etwas Stürmisches. Wie im
Fluge rauscht er heran, dass die Gewänder, stark bewegt, ihn umwogen
und die Gestalt in den grossen Bauschfalten fast verschwindet. Maria ist
voll königlicher Hoheit, doch bleibt ihre Bewegung etwas gebunden. Die
eine Hand legt sie auf die Brust, mit der andern, die das Gebetbueh hält,
deckt sie etwas wunderlich den Schooss. Doch ruht majestätische Anmuth
auf der Gestalt. Rings ist ein Kranz von Medaillons angebracht, die
sieben Freuden Maria in Flachreliefs enthaltend. Hier begegnen wir
wieder dem ächt plastischen Sinn des Meisters. Die Compositionen können
nicht klarer, sprechender, die Bedingungen des Reliefstyles nicht schöner
eingehalten sein. Dabei waltet hier ganz die milde Lieblichkcit seiner
Frauenköpfc. Sieht man von den Unarten des Faltenwurfcs ab, die er
mit den meisten Zeitgenossen theilt, so lässt sich nicht Vieles aus der
Epoche fiiilen, das an einfacher Schönheit. diesen Arbeiten gleich stünde.
In diesen Nürnberger Schöpfungen hat Veit Stess die Schnitzkunst
von der immerhin stark beschränkten, eingecngten Stellung, die sie bis
dahin bei der Ausschmückung der Altäre einnahm, erlöst, sie ganz auf
sich selbst gestellt und dadurch erst ihr einen wahrhaft plastischen Styl,
sowohl für die Freistatue, als das Relief erobert. Seine besten Arbeiten
zeigen nur in einer gewissen einseitigen Körperbildung und in der un-
ruhigen Gewandung, von der er sich nicht loszumachen wusste, ihre zeit-
liche Befangenheit: in allem Uebrigen haben sie eine unvergängliche Gel-
tung. Nur von ihm kann daher auch die berühmte Rosenkranztafel in Cler
Burgkapelle sein, die sich ehemals in der Frauenkirche befand. In der
Ü Für die gesammte Nürnberger Kunst gicbt sehr werthvollc Notizen H.
berg, Nürnbergs Kunstleben. Stuttgart 1854.
Holl-