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Viertes Buch
Stcss in
Nürnberg.
Kathedrale: ein Werk von ernster Pracht und feierlicher Anordnung,
ganz in rothem 'I'atramar1nor ausgeführtt). Auf dem Sarkophage ruht die
Gestalt des Königs im reichen Krünungsornat, mit Krone und Scepter;
die mageren greisenhaften Züge sind von entschiedenem Portraitausdruck.
Die Seiten des Sarkophags zeigen kleine Figuren, welche paarweise ein
Wappen umgeben. Es sind die verschiedenen Stande, die mit lebhaften
Gebärden des Schmerzes den Tod des Herrschers beklagen. 'Ueber dem
Grabmal erhebt sich auf acht schlanken Marmorsäulen, deren Kapitale mit
beziehungsreichen biblischen Darstellungen in zierlichen Figürchen bedeckt
sind, ein gothischer Baldachin von iiachen sich kreuzenden und mit Krabben
besetzten Schweifbögen. Als Verfertiger der Kapitalsculpturen nennt
sich ein Schüler des Veit Stoss, Jörg Hueber. Das ganze Denkmal ist
bei allem Rcichthum von würdevoller Einfachheit.
Als Holzsehnitzer bewährte sich Veit Stoss sodann wieder 1495
durch die Rathsherrnstühle im Chor der Frauenkirche. Dass der
fieissige Meister ausser diesen Werken mit seiner zahlreichen Werkstatt
gewiss in oder um Krakau noch Manches ausgeführt hat, lässt sich ver-
mnthen. Wie weit seine Arbeiten verbreitet Waren, geht daraus hervor,
dass nach seinem Tode die Testaments-Exekutoren eigene Boten nach
Polen, Böhmen, Ungarn und Siebenbürgen schickten, entweder um Forde-
rungen einzutreiben oder nach seinen Waaren zu schenH). Ebenso bezog
er fleissig die Messen von Süd- und Mitteldeutschland, um mit seinen Er-
zeugnissen Handel zu treiben, so gut wie Dürers Frau, die genaue Rechen-
meisterin Agnes, an Jahrmärkten die Stiche und Holzschnitte ihres Mannes
öffentlich feil bot. Während aber Dürer es mit allen seinen Werken
ausserst gewissenhaft nahm, fassten die meisten seiner Kunstgenossen ihr
Gewerbe oft ziemlich handwcrksmässig auf und licsscn manche geistlose
oder gar- rohe Gescllenarbeit unbekümmert unter ihrem Namen in die
Welt gehen. Unter diesen Voraussetzungen muss man überall eine scharfe
Revision dessen vornehmen, was unter berühmten Meistcrnamcn eine oft
unerfreuliche Dutzendarbeit birgt. In solchem Sinne waren auch die
Schnitzarbeiten in und um Krakau einer strengen Sichtung zu unter-
werfenwt).
Als Veit Stoss im Jahre 1496 nach Nürnberg zurückkehrte, fand er
k) Eine genaue Beschreibung giebt J. von Lepkmvslri in den Mitth. der Centr.
Comm. 1860. S. 296 FF. Abb. in E. Försteräv Denkm. V1.
H") J. Baader, a. a. O. II. S. 46.
t") Die dahin zielende Arbeit des Herrn von Leplrmlnvlvi in der Krakauer Zeitung
1857 Nr. 128 bis 134 ist mir leider nicht zu (äesicht- gekommen.