Zweites Kapitel.
Nordische Bildnerei von 1450
1550.
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er von dort in seine Vaterstadt zurück, wobei er für seine Wiederauf-
nahme drei Gulden zahlte. Wlenn Stoss bei seinem Weggehen von Nürn-
berg etwa vierzig Jahre zahlte, was zu vermuthen steht, da er schon weit
berühmt sein musste, um einen Ruf nach Krakau zu bekommen, so wird
er um 1438 geboren und vielleicht ein Sohn des Gürtlers Michel Stoss
sein, der 1415 als Bürger in Nürnberg aufgenommen wurde. Aus seinem
späteren Leben wissen wir, dass er dem Ehrbaren Rath der Stadt Nürn-
berg viel Noth und Sorgen machte. In einem Dekrete wird er ein „irrig
und geschreyig man" genannt; in einem andern ein "unruwiger hayloser
Burger, der Einem Erbern Rat vnd gemainer Statt vil unuw gemacht."
Er hatte nämlich eine Schuldverschreibung gefälscht und darauf hin einen
ungerechten Prozess gegen einen Mitbürger begonnen. Seines Verbrechens
überführt, sollte er nach dem Gesetze den Tod erleiden; aber auf viel-
seitige Fürbitten begnatligte ihn der Rath und liess ihn nur brandmarken.
Der Henker musste ihm beide Backen mit einem glühenden Eisen durcl1-
bohren. Ganz dasselbe Verbrechen einer Fälschung hatte Veit's Kunst-
genosse Alessandro Leopardo in Venedig begangen, um sich von einer
drückenden Schuldforderung loszumaehen. Er wurde aber, laut Beschluss
vom 9. August 1487, nur aus Venedig verbannt, und die Ausführung
dieses Urtheils ward sogar verschoben und schliesslich, wie es scheint,
ganz unterlassen, damit der Künstler das Reiterstandbild Oolleonfs voll-
endet). Veit Stoss aber liess es bei dem einmal begangenen Ver-
brechen nicht bewenden. Er brach der Stadt den geleisteten Schwur, floh
zu ihren Feinden, zettelte ihr allerlei verdriessliche Händel an, kehrte
dann aber zurück und musste sich eine Gefangnissstrafe und andere Be-
schrankungen gefallen lassen. Er starb 1533 im höchsten Alter, wie es
heisst erblindet.
Dieser heillose, unruhige Bürger, dieser Meineidige und Fälscher ist
nun, zum Trotz allen Denen, die nur aus persönlichen Erlebnissen der
Künstler oder Dichter deren Werke erklären und eonstruiren möchten,
einer der innigsten, zartesten Bildschnitzer, in dessen Werken die jung-
fräuliche Reinheit der Madonna und andrer Heiligen verherrlicht wird wie
durch wenige Meister der Zeit. Die Reihe seiner bekannten Werke beginnt
mit dem grossen Hoehaltar der Frauenkirche zu Krakau, den er von
1472-84 fertigte. Der Schrein enthält in kolossalen Figuren die
Krönung lllariä, eine grossartige Composition; die Flügel sind mit Reliefs
aus dem Leben der Jungfrau und ihres Sohnes bedeckt. Darauf folgt
1492 das Grabmal des Königs Kasimir IV. in der Kreuzkapelle der
Stoss" Km
werke.
In Krakau.
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Das Nähere bei
Gesch.
Bank.
in Venedig II.