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Viertes Buch.
geschmückt sind, umfasst der Mittclschrein eine einzige Darstellung in
überlebensgrosseil Figuren. Maria -als Hinnnelskönigin, von kleinen Engeln
umgeben, die ihr die Schleppe des Mantels tragen, kniet rechts vor ihrem
gegenüber auf dem Throne sitzenden Sohne, der sie huldreileh anschaut
und seine segnende Rechte gegen sie erhebt. Zu beiden Seiten stehen die
h. Wolfgang mit dem Kirchenmodell und Benedikt mit dem Bischofsstabe.
Die Anordnung ist grossartig, einfach, wirksam; denn die Gestalten,
strahlend von Gold und Farben, heben sich klar aus dem Schattendunkel
der tiefen von Baldachinen gekrönten Nische. Allerdings zeigen die
Figuren einen Mangel an körperlicher Durchbildung, und es wird hier
schon in bedenklicher Weise die Unsitte der Zeit fühlbar, untcrbauschigien.
wunderlich verzwickten und eckigen Gewandfalten jede klarere Ent-
wicklung der lform verschwinden zu lassen. Es scheint daher, dass
"der erber und weis Maister Michel Pacherf" (wie er in jener Urkunde
hcisst) seine Studien in fränkischer Schule gemacht habe. Aber seinen
eigenen Schönheitssinn und seine Poesie hat er zu bewahren gewusst, und
die offenbaren sich in dem süss demüthigen Kopf der Maria, die das
schöne Oval ihres Gesichtes wie verlegen seitwärts wendet und den ge-
senkten Blick auf der Gemeinde weilen lasst; ebenso in dem würdigen,
feierlichen Ausdruck des segnenden Christus und den offenen, naiven
Kindergesiehtern der Engel, die zwar im Faltenwurf eben auch wunderlich
bizarr erscheinen, aber mit der keck ausschrcitenden Bewegung ihre
jubelnde Heiterkeit originell ausdrücken. Wie mangelhaft das Körper-
verständniss des Künstlers ist, erkennt man an den übertrieben langen, in
ihren Gewändern ganz verschwundenen beiden Heiligen, während Christus
und Maria eher zu gedrungene Verhältnisse haben. Trotz Alledcln ist
das Ganze voll Poesie und Adel der Empfindung. Die Altarstaifel enthält
in klarem, etwas genrehaftem Relief die Anbetung der Könige. In dem
luftigen 'I'abernakelbau, der das Werk krönt, sieht man von geringerer
Hand Christus am Kreuz, umgeben von Johannes und Maria in lebhafter
Schmerzäusserung; daneben Johannes den Täufer und S. Michael, letzterer
wieder in heftigem Affekt die Waage haltend und mit dem Schwerte drein-
schlagend. Darüber sind auf einzelnen Konsolen zwei weibliche Heilige,
ZWGi anbetende Engel und der thronende Gottvater angebracht. Von
höherer Bedeutung sind die jugendlich ritterlichen Gestalten der h. Georg
und Florian, die zu den Seiten des Altares auf reichen Konsolen sich er-
heben. S. Florian trägt einen Turban und giesst Wasser aus einer Kanne
auf eine brennende Burg.
Von anderen Werken des Meisters sind bis jetzt (ausser den hier zu
übergehenden Gemälden) nur zwei geschnitzte Tafeln im Ul'S11lll]0l'iUllGl1-