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Viertes Buch.
wiedergegeben hat. Auch die Ausgiessung des h. Geistes ist vorzüglich
eomponirt, sodass sich auf die in der Mitte befindliche Maria Alles zu be-
ziehen scheint und jede der Gestalten sich klar entwickelt. Wie die Ver-
sammelten Alle aufblieken, und die Erwartung sich bis zur höchsten
Erregung steigert, während Maria still und gesammelt in der Mitte sitzt,
das ist ebenso glücklich gedacht wie mit Verständniss ausgeführt.
Auf der andern Seite giebt ein breites Relief in zwei verbundenen
Scenen die Geburt und die Auferstehung Christi. Der Künstler hat hier
in wenig Figuren das Nöthige nicht bloss einfach, sondern auch schön
atusgedrückt. Das Christuskind ist eben geboren und wird, am Boden
liegend, von der Mutter, dem h. Joseph und drei lieblichen herbeigeeilten
lilngeln verehrt. ltlaria ist eine der gelungensten Gestalten, welche das
15. Jahrhundert hervorgebracht: grossartig, in vollen Formen, neigt sie
mit dem Ausdruck innigen Dankes das edel geformte Haupt zur Anbetung.
Der landschaftliche Hintergrund ist massig detaillirt. In der Ferne wird
die Geburt Christi den Hirten auf dem Felde verkündigt. Daneben
schreitet Christus mit der Siegesfahne zwischen den bestürzt auffahrenden
Wachtern einher. Hier herrscht die lebendigste Mannichfaltigkeit in den
Stellungen der theils Schlafenden, theils in Verwirrung Anftanmelnden.
Der eine mit der Armbrust zeigt einen herrlichen Portraitkopf. Ueberall
aber ist eine Schönheit, Kraft und Lebensfülle über das Werk ausge-
gossen, dass ich es unbedenklich zu den Meisterschöpftingen rechne,
mit denen die nordische Kunst sich neben die gleichzeitige italienische
stellen kann. Nur die Gewituder, obwohl gross und mannichfaltig ange-
lragt, haben die eckigen Faltenbrüehe der Zeit. Dabei hat die Wirkung
durch den modernen Oelailstrich noch viel eingebüsst. Den Namen (les
Meisters enthält die letztbeschriebene Tafel in umgekehrt angebrachten
hebräischen Schriftzügenif); die Jahreszahl ist 1498.
Das südlichste Denkmal Schwabens, aber nicht schwäbischer Kunst,
da diese, wie wir gleich sehen werden, viel weiter südwärts vordrztng,
sind die 1470 von Simon Hayrler vollendeten Thürilügel am Dom zu
Constztnzwt). Sie erzithlen in guter, lebendiger Anordnung die Leidens-
geschiehte Christi in einer Anzahl von kräftig behandelten Relief-
bildern.
Die Thätigkeit der schwäbischen Schule lässt sich bis tief in die
S oh W e i z hinein, wo man in dieser Epoche die Architekten und Bildhauer wie-
Es bedarf eines Abklatschos in Papier oder Staniul , um die Inschrift. ganz zu
lesen. Etwas wie ßilin-cclzt Mfchavl Sturm liess sich zunächst vorläufig cntzitienl.
M) Abb. in den Denkm. des Oherrheins. Heft I.