Zweites Kapitel.
Nordische Bildnerei von 1450
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Grad weniger schönheitsvoll und. ideal, als die Arbeiten Syrlins. Es ver-
steht sich, dass bei alledem das Ganze eine der gediegensten Leistungen
ihrer Art ist, schon durch die Pracht der Ausführung und den Glanz der
Farben hervorrztgeinl.
In Ulm selbst sind noch die Schnitzwerke am Altar im Ohore des
Münsters zu erwähnen, die gleichzeitig mit den Gemälden desselben 1521
entstanden sein werden. Der Schrein schildert in gemüthlicher Familien-
scene, wie das kleine Christuskind seine ersten Schritte versucht. Sie
gehen nur von der Mutter Schoosse zur Grossmutter, die daneben sitzt
und sich ihm freundlich zuncigt. Mehrere Heilige stehen als thcilneh-
mende Zuschauer dabei. Es ist ein anziehendes Werk von herzlichem
Ausdruck in den nicht gerade feinen, aber offenen rundlichen Köpfen.
Unmittelbar nach Syrlin wollen sie freilich nicht recht munden. Da der
Altar aus der Barfüsserkirche stammt, für Welche ein Daniel jllauch
(Jllouclz) einen andern Altar geschnitzt, so will man in ihm den Urheber
auch dieses Werkes sehen, was freilich eine einstweilen durch Nichts zu
begründende Vermuthung ist.
Von den zahlreichen anderen Chorstuhlwerkcn Schwabens nennen
wir nur noch als eins der prachtvollsten das der Stiftskirche zu Herren-
bergt), insehriftlich 1517 durch lIe-inriclz Sclticlrlzavctl vollendet. In der
Anordnung und Art des bildnerischen Schmuckes sichtlich von dem Ulmer
Muster abhängig, erreicht es bei aller Tüchtigkeit dasselbe doch bei Wei-
tem nicht an künstlerischer Dnrchbildung. Dernselben Meister schreibt
man auch das tretfliche aus einer Holzplatte geschnitzte Denkmal zu,
welches im Saale des Schlosses zu Urach dem 151.9 verstorbenen Grafen
Heinrich von Würtemberg gesetzt wurde. Doch scheint mir schon die
Renaissance-Dekoration desselben dagegen zu sprechen. Die Gestalt des
Fürsten schreitet lebensvoll auf einem Löwen dahin. Praehvoll ist die
Ausführung, wie denn überhaupt das Werk eine besondere Vorliebe für
das Holzmaterial bezeugt, da man sonst für solche Denkinale den Stein
oder das Erz verzog. Hier sei auch noch des schönen Betstuhls Grafen
Eberhards im Bart vom Jahre 1472 gedacht, der in der Kirche zu Urach
steht und durch das naive Relief des schlafenden Noah mit seinen Söhnen
Altar im
Lllmer
hlüuster.
Churstiihle
in
Schwaben.
ausgezeichnet ist.
Zu den schönsten Schnitzwerken Sehwabens vom Ende des 15.Jahr-
hunderts gehört der grosse, neu bemalte Altar in einer Kapelle des nörd-
lichen Seitensehifes der h. Kreuzkirehe zu Gm ün d. Wie wir hier schon
Üüher eine reiche Blüthe der Plastik fanden (S. 398), so zeigt sich auch
Altäre
G müm
V'crgl.
Huidvloff,
Schwaben Heft; I.
die Kunst des hiittelalters in