Erstes Kapitel.
Italienische Bildnerei im
Jalnilunglcn.
495
Neigung auf Einfachheit angewiesen, hielt er sich frei von dem späteren
malerischen Style Ghibertfs wie von der überfüllten Anordnung Dona-
tellds. Allerdings begünstigte ihn auch die Gleichartigkeit der Aufgaben.
Denn nur ausnahmsweise hat er geschichtliche Vorgänge zu erzählen,
und in diesen ist er um so weniger glücklich, je mehr dramatische
Lebendigkeit sie verlangen. Dagegen zeigt er sich unermüdlich und un-
erschöpflich in der Schilderung eines von Holdseligkcit verklärten ruhigen
Seins. Die Madonna mit dem Kinde, von Engeln umgeben, ihr Kind
anbetend, oder in stiller Mutterfreutle auf dem Sehoosse haltend; auch
wohl die Gestalten von Heiligen oder Tugenden, das sind Lucafs Lieblings-
themata, die er immer neu variirt, stets vortrefflich in den Raum com-
ponirt, mit massig angedeuteter Umgebung, rein in den Formen und
innig in der Empfindung. Nirgends hat die christliche Plastik im
Bunde mit einem entwickelten Naturg-efühl Werke von so echtem plasti-
schen Gehalt und so wahrer religiöser Stimmung hervorgebracht. Nie
begegnet man (larin der tieferen lnbrunst eines Fra Angelico da Fiesole.
noch derGefühlssehwelgerei der späteren umbrischeii Maler; aber das Beste,
was in den früheren Bildern Perugiiitfs und in den Gemälden des liebens-
würdigen Lorenzo di Credi zinspriclit, lebt auch in diesen Schöpfungen.
Minder häufig und minder bedeutend sind die Statuen, statt (leren man
lieber Halbtiguren anbrachte. Aber diese sind stets im Zusammenhange
mit der Umgebung aufzufassen, wo sie dann auch ihrerseits zur vollen
Gleltung kommen.
Es würde zu weit führen die zahlreichen Werke, welche in Florenz
und den übrigen Orten Toscana's verbreitet sind, ja durch den Handel
bald auch in andere Länder gelangten, auch nur annähernd zu neimenfi)
Wir müssen ims begnügen einige der wichtigsten und bezeichnendsten her-
vorzuheben. Zu den amnntliigsten Werken Lnca's gehören die Medaillons
einerMadonna an Or S. Miechele; die Lünette an der Kirche S. Piero beim
alten Markte, ebenfalls eine Madonna mit Engeln; an der Kirche der
In noeenti eine herrliche Vcrkiintligung mit einem Halbkreis von Engeln:
in der Vorhalle der Akademie eine Auferstehung Ohristiüuntl Himmel-
fahrt der Maria; in S. Apostoli der piaehtige Altar des nördlichen Seiten-
sehiffes, eines seiner schönsten reichsten Werke. Ileberaus, heiter und
liebenswürdig dann der Brunnen in der Sakristei von M. Novella, im
Bogenfelde eine schöne Madonna mit anbetentlen Engeln, darüber naive
Ich verweise auf die reichhaltige Aufzählung, welche Jao. Buroklzvurdl in
Seinem Ciceronc S. 591 ff. giebt. Vergl. dazu die Notizen in Vasari. ed. Lemonn.
m, p. 76-86.