Erstes Kapitel.
Italienische Bildnerei im 15.
Jahrhundert.
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sclnneckerei gefunden zu haben. Es giebt nichts, das für die völlig ver-
änderte Richtung der Kunst bezeichnender wäre als diese Keckhoit,
welche die heiligen Gestalten lediglich als Vorwand für naturalistisvho
Studien benutzt. Hierher gehört auch die Erzgruppe der J udith mit dem
Holofernes, in der Loggia de' L anzi. Ein Scitenstück zum David der
Uffizien, geht dies Werk doch in der Charakteristik so weit in's Ueber-
triebene, dass statt des heroischen Ausdruckes die Wirkung geradezu
komisch ist. Das wird immer die Folge einer aussehliesslieh das
Charakteristische inls Auge fassenden und jede höhere Bedingung der
Schönheit verschmähenden Kunst sein.
Dass Donatello da am erfolgreichsten sich bewegt, wo es gilt die
Persönlichkeit in aller Schärfe individueller Erscheinung aufzufassen, ist
vorauszusetzen. An seinem Denkmal äapst Johann XXIII. (T 1419) im
Baptisterium zu Florenzt) zeigt sich die vergoldete Erzfigur des rueh-
losen Papstes als ein vortreffliehes, dem Charakter wohl entsprechendes
Werk. Den h. Ludwig von Toulouse, über dem Hauptportal von
S. Croee, ebenfallsein Bronzeiverk, soll er absichtlich bornirt und
ungeschickt dargestellt haben, weil es von dem Heiligen mehr als
ungeschickt gewesen sei, die Regierung aufzugeben und Möneh zu
werden. " Man sieht, in wie geringer Achtung bei Donatello die christ-
liche Askese stand! Eine bronzene Grabplatte des Bischofs J 011. Peccius
(i 1426) im Dom zu Siena zeigt ebenfalls in der Reliefiigur des Ver-
storbenen den scharfen Styl des Künstlers. In S. Angelo a Nilo zu
Neapel ferner befindet sieh das Grabmal des Kardinals Rinaldo di
Brancacci, an welchem Donatello um 1427 mit seinem Schüler und Gc-_
nossen Michelozzo arbeitete.
Portrait-
bildet.
Im Dom zn Montepulciano sieht man neben dem Hauptaltar
zwei fast lebensgrosse Marmorstatuen, die ganz das Eckige des dona-
telloschcn Styles haben. Der Aufsatz des Altars ist (inrch Reliefs,
mit guirlandenhaltenden Genien geschmückt, die manches hübsche leben-
dige Motiv, aber keine glücklichen Körperverhältnisse zeigen. An den
beiden ersten Pfeilern ist rechts ein Relief von Kindern angebracht, die
von einem Mann und einer Frau gehütet werden, links ein ähnliches,
wo sich Kinder um eine ältliche Madonna schaaren, die ihre Hand
segnend auf den Kopf eines knieenden lllannes legt. Jenes erste Relief
ist von hoher Anmuth; dagegen zeigen auf dem andern bei grosser Be-
wegliehkeit die Gesichter sämmtlich etwas AlllbZlCkGDtfS. Diese Werke
k) AI
bei Ficognara, II.