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Viertes Buch
als ein andres Material geeignet, einem scharfen und feinen Naturalismus
als Ausdrucksmittel zu dienen, während der Marmor eine idealere Auf-
fassung begünstigt. Aus der grossen Anzahl der für Florenz ausge-
führten Werke ist zunächst eine Anzahl von Statuen, theils in Erz, theils
in Marmor, zu nennen. An Or S. Mieehele sieht man die beiden
lilarmorstatuen des Petrus und Mareus, tüchtige lebensvolle Werke, die
man freilich nicht mit dem idealen Maasse der ebendort befindlichen
Arbeiten GhibertYs messen darf. Ganz vortrefflich gelang ihm indess
ebcndort die jugendlich rüstige, ritterliche Gestalt des h. Georg, ebenfalls
in Marmor, eine seiner schönsten und edelsten Figuren. Für die Faeade
des Glockenthurmcs beim Dom arbeitete er drei lilarmorstatuen, an-
geblich Heilige, in Wirklichkeit aber, wie Donatello oft that, lebenswahre
Bilder ihm befreundeter oder bekannter Personen. Der eine von ihnen ist
der berühmte Kahlkopf (Zuceone), der durch Scharfe der portraitartigen
Auffassung frappirt. An demselben 'l'hurme brachte er über derThür den
Abraham und einen andern Propheten an. Auch für die Fagadc des
Domes schuf er mehrere Marmorstatuen, die theils verschwunden, theils
im Innern des Gebäudes aufgestellt sind. Die beiden sitzenden Evange-
listen Matthäus und Johannes, darunter besonders der letztere trefflich,
sieht man jetzt in den Chorkapellen; zwei angebliche Apostel, die aber in
Wahrheit den Poggio und. Giannozzo Manetti darstellen, befinden sich am
Eingang in zwei Tabernakeln. Da diese Arbeiten aus Donatellds
. früherer Zeit sind, so ist es interessant, ihn so früh schon mit realistischer
Keckheit den Heiligen allbekannte Portraits Lnltersehieben zu sehen. Am
besten gelingt ihm der Ausdruck jugendlicher Thatkraft; so an dem bron-
zenen David der Uffizien, der den linken Fuss auf den Kopf des Goliath
setzt, lebendig und frisch, obgleich nicht an den S. Georg von Or S. Mitrehele
reichend. Der marmorne David, ebenfalls in den Uffizien, ist geradezu
theatralisch karikirt. Noch unglücklicher bringt er ebendort an einem
marmornen Johannes die Resultate ausschwcifender Askese völlig skelet-
artig zur Erscheinung. Etwas gemassigter ist der bronzene Johannes
in der Kapelle des Heiligen am Dom zu Siena, wenngleich noch krass
genug in der Formbezeichnung; ähnlich ein dritter in einer Chorkapelle
der Frari zu Venedig, sorgfältig in Holz ausgeführt. Völlig abschreckend
hat er dieselbe Art der Charakteristik an der ebenfalls aus Holz gearbei-
teten Statue der h. Magdalena im Baptisterium zu Florenz zur Geltung
gebracht. Es ist jedenfalls bezeichnend, wie beharrlich er in allen Gegen-
ständen dieser Art dem Seelenausdruek religiöser Schwitr111e1'cti aus (16111
Wege geht und allen Nachdruck auf die physische Erselwinung völliger
Ausnragerung legt. Er scheint darin eine Art anatomischer Fein-