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Vicrtqs Buch
Llringendes Studium aller Erscheinungen, die frohe Lust am Naehbilden
aller Formen, welche das Auge zu fassen vermochte, das waren die Grund-
lagen, auf denen sieh in selbständiger Weise durch eine Reihe strebsamer
Künstler die neue Plastik erhob.
Der erste dieser toskanisehen Meister ist Jacopo della Quercia, von
seinem Geburtsorte, einem kleinen Flecken in der Nähe von Siena so ge-
nannt (1374-1438). Sein Vater, Meister Pietro diAngelo, war Gold-
schmied und scheint in dieser Kunst auch den Sohn unterrichtet zu haben.
J aeopo gehörte aber zu den selbständig verdringenden Geistern, zeichnete
sieh durch Scharfsinn und Erfindungsgabe aus und fand (lureh eigene
Kraft den Uebergang aus dem allgemein gültigen Style des lilittelalters
zu einer neuen flflSCllGYBTl Auffassung der Natur. Schon in seinen frühesten
Arbeiten tritt diese entscheidend hervor. S0 am Grabmal der Ilaria del
Oarretto (T 1405) im Dom zu Lueeak). Die liegende Statue der Ver-
storbenen, edel und weich behandelt, erinnert noch an die ältere Darstel-
lungsweise; die reizend muthwilligen nackten Genien aber mit dicken
Frnelitguirlaiideil am Sarkophag, von welchem eine Seite in der Galerie
der Uffizien sich findet, sind ein völlig neuer, aus der Antike gesehöpfter
Gedanke. 1408 finden wir Jaeopo in Ferrara, wo er eine Madonna mit
dem Kinde und ein Grabmal arbeitet. Dann wurde er 1409 nach Siena.
berufen, um dort den Brunnen auf der Piazza del Campo mit Bildurerken
zu schmücken. Doch legte er nieht_ vor 1412 Hand an das Werk, das erst
im Oktober 1419 vollendet wurdewk). Er stellte hier in der Mitte die
Madonna dar, ringsum acht Tugenden, sodann die Erschaffung der ersten
Menschen, die Vertreibung aus dem Paradiese und Embleme, welche sich
auf die Stadt beziehen. An diesen Werken tritt der neue Styl in voller
Ausprägung hervor. Die Gestalten sind naturwahrer als alles Frühere,
die Compesitionen von einfacher Klarhßt und Lebendigkeit. Wie sehr
das schöne Werk Anklang fand, bezeugt der Beiname „della Fonte," den
es dem Meister eintrug. Mehr der älteren Weise gehören dagegen die
beiden Bronzereliefs am Taufbecken in S. Giovanni zu Siena vom Jahre
1417 an: die Geburt und die Predigt Johannes des Täufers, besonders
erstere in gemüthlicher Naivetät. erzählt und trefflich angeordnet, beide
durch fliessende Gewandbehandlung ausgezeichnet. Die übrigen Reliefs
wurden anderen Bildhauern zugetheilt, um J acopo nicht von der Vollendung
des Brunnens abzuhalten. In der Johanneskapelle des Domes sieht
man einen marmornen Taufstein von seiner Hand, mit schönen Reliefs der
Abb. bei Cicogluzru, II. tav. 3.
b?) Vusari, ed. Lcmonn. III, 2G. Einzelne Figg.
Taf. 35 Figg. 11 u. 12 Taf. 38, Figg. 13 u. 14.
abgeb.
bei (lblgläzcozzrl,
Scul]