Erstes kapital.
Italienische Bildnexei im
J ahrhund ert.
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Schöpfungen der Meister auf ihren künstlerischen Werth hin an!
zusehen. Das Auge hatte sich geübt, das Urtheil sieh geschärft, ein
kunstsinniges Publikum feuerte durch Beifall und Tadel den Wetteifer
der Einzelnen an. Was Einer schuf an-Bedeutendeln, durch Originalität
und Neuheit Fesselndem, das blieb nicht mehr unbeachtet: alle Welt er-
kannte es, die andern Künstler suchten es zu erreichen, zu überbieten,
und so war der Weg zu immer kühnerem Fortschreiten geebnet.
Aber trotz antiker Studien schloss sich die Plastik bei Weitem nicht
so nahe dem Alterthum an wie die gleichzeitige Baukunst. Nur in einem
Punkte hat römische Kunst wie es scheint überwiegend auf sie einge-
wirkt, und der Erfolg war kein günstiger. Das ist die gedrangte, über-
ladene Anordnung und die malerische Vertiefung des Reliefs. Diese
Gattung der Bildnerei wird zuerst zivar von einigen Meistern noch ihrem
Wesen entsprechend plastisch einfach behandelt. Bald aber bemachtigt
sich selbst der ansgezeichntitsten Künstler der malerische Hang der Zeit,
und sie geben ihren Reliefs solche perspektivische Abstufung, so reiche
landschaftliche imd bauliche Hintergründe, dass dieselben mehr gemalt
als gemeisselt scheinen. S0 geht auf {Jahrhunderte der wahre Geist der
Reliefschilderung verloren. Auch in Meisculptureii überwiegt bald das
malerische Element. Wohl werden die Gestalteil runder, als
das Mittelalter sie kannte; aber sie verlieren grösstentheils den einfachen,
grossen Wurf der mittelalterlichen Gewandung, werden unruhig und mit
übermässigem Detail überladen. Noch weiss der realistische Sinn das
künstlerische Maass nicht zu finden; die portraitartige Scharfe der Auf-
fassung bringt gern jeden Zug der Wirklichkeit zuriGlätlingx-b Manchmal
berührt uns aus den Bildwerken dieser Epoche gerade in Toskana ein der
gleichzeitigen flandrischen Kunst verwandter Hauch. Nicht unwahr-
scheinlich, dass einzelne Einfluss: von dort herüber gelangten. Von einem
bedeutenden Kölnischen Meister, der im Anfange des 15. Jahrhunderts
in Italien gearbeitet habe, erzählt Ghiberti selbst und weiss ihn nicht hoch
genug zu prcisenit): er sei den antiken griechiscehen Meistern ebenbürtig
gewesen, habe Köpfe und nackte Gestalten bexrundernswürdig ausgeführt,
nur etwas zu kurz seien seine (iestaltcn. gewesen. Später habe er leider
der Kunst entsagt und sich in eine Einöde zurückgezogen, um Gott allein
mit Reue und Busse zu dienen, (was beiläufig gesagt einem itzllieni-
schen Künstler nicht eingefallen wäre). Indess wenn auch einzelne
nordische Einflüsse einen Anstoss gegeben haben, die realistische Be-
wegung war auch ohnedies in Toskana schon erwacht. Ein tief ein-
ß) Sm
xondo Comment.
XIV (cd.
Lemonn.
Firenze