Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

ERSTES 
KAPITEL. 
Italienische 
Bildnerei 
im 
Jahrhundert. 
Der Beginn des 15. Jahrhunderts bezeichnet für ganz Europa den 
Anfang einer neuen Zeit. Das Mittelalter war die Epoche begeisterten 
Glaubens gewesen: jetzt bricht die Aera eines nicht minder enthusiasti- 
schen Forschcns an. Man ist müde geworden, im hergebrachten Geleise 
der Tradition zu gehen, allen tieferen Drang nach Erkcnntniss durch das 
Dogma der Kirche niederschlagen zu lassen. Ein allgemeines Bediirfniss 
nach Wissen erwacht. Was die (lelehrsamkeit des Mittelalters geboten 
hatte, War ein Wust unklarer Vorstellungen, durch die Seholastik in spitz- 
findige Systeme gebracht. Um zu wahrer Wissenschaft vorzudringen, 
fehlte jede Möglichkeit einer unbefangenen Beobachtung. Man muss 
nur die abenteuerlichen Märchen lesen, welche die Thierbüeher des Mittel- 
alters (die Bestiarien oder der Physiologus) als Oolnpendium einer Art 
von Zoologie darbieten und immer auf's Neue wiederholen (lürfen, ohne 
je durch den zu Tage liegenden WVidersprut-h Lügen gestraft zu werden; 
man muss erwägen, wie streng es verpönt war, menschliche Leiehnamc 
zu seciren, und welche Todesgefahr die Anatomen liefen, welche zuerst 
diesen Bann zu durchbrechen wvagten,  und man wird begreifen, dass 
an achte, gründliche Erkenntniss im Mittelalter nicht zu denken war. 
Kein Wunder: die Natur war verpönt, ja geachtet, und kein Auge durch- 
drang, kein Arm hob den Schleier, der sie verhüllte. 
Aber dieser unnatürliche Zustand konnte nur so lange dauern, als 
der gesteigerte Spiritualisnius währte, der die Blüthezeit des Mittelalters 
kennzeichnet. Weder einzelne Menschen, noch ganze Völker vermögen 
einen so exaltirten Zustand der Empfindung auf die Dauer zu ertragen. 
Die Wirklichkeit reagirt bald gegen die Phantasie, die Natur gegen die 
Tradition. Wir konnten die Anzeichen solcher Gegenströmung an den 
Gegensatz 
gegen das 
Mittelalter.
	        
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