Fünftes Kapitel.
Italienische Bildnerei von 120
1400.
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ralistisch bis in's Heftige und Unsehöne. S0 sehr ist dem Meister die
(h-amatisvhe Schilderung Herzenssache, dass er sich nicht bedenkt, ihr
Anmnth und Klarheit anfzuopfern. Aber man fühlt, dass es der Strom
eines energischen Lebens ist, der hier die Dämme (hlrehbricllt und mit
der Macht der Leidenschaft Alles fortreisst. S0 werden in der erschüttern-
den Gruppe der trauernden Mütter von Bethlehem die heftigsten Aecente
des Schmerzes angeschlagen. 1m jüngsten Gerichte sieht man eine natura-
listisch scharfe Durchführung des Nackten. ländlich gehören die Sibyllen-
statuen an den Ecken zu den ausdrucksvollsten Schöpfungen der Zeit.
Eine preisende Inschrift nennt den Künstler und die Zeit der Ausführung.
Von gressem Reiz ist das um dieselbe Zeit entstandene iVeihwasser-
hecken in S. Giovanni fuorieivitas daselbst, dessen Sehaale von drei
recht edlen weiblichen Gestalten, Glaube, Liebe, Hoffnung, getragen wird,
während auf dem Becken in kleinen Reliefs die unbedeutenderen Halb-
figuren der Klugheit, Gerechtigkeit, Mässigkeit und Starke angebracht sind.
Weiter schuf Giovanui in S. Domenieo zu Perugia das Grab Papst
Benedikts XI. (T 1304). Die Gestalt des Verstorbenen ist edler, als man
solche bis dahin in ltalien zu bilden pflegte. Auch die den Vorhang zie-
henden Engel, die bei dergleichen Anlassen schon herkömmlich geworden
waren, belebte der Meister, indem er sie in schreitende Bewegung brachte
und ihnen einen schönen Ausdruck von Mitgefühl gab de).
Was von der prächtigen Kanzel, die er 1311. für den Dom von Pisa
arbeitete, noch übrig ist, wie die Löwen und die vereinzelten Relieftafeln,
zeigt bereits einen Ilebergang in's Manierirte. Das letzte Werk des Mei-
sters, das Grabmal eines Scrovegno in S. Maria dell, Arena zu Padua,
inschriftlieh bezeichnet (1321), ist weniger Wegen der ziemlich eonventio-
nellen Madonna sammt dem Kind und den beiden Engeln, als wegen der
im schärfsten Naturalismus durchgeführten Statue des Verstorbenen von
Interesse. Hier sprengt der alte Meister mit den letzten kühnen Meissel-
schlagen die Fesseln seiner Zeit.
In Giovanni Pisano tritt zum ersten Male der italienische Kunstgeist
selbständig und bewusst hervor. Noch findet er seine Schranken in der
nicht ganz überwimdeiieii traditionellen Behandlung und dem eng begränz-
ten Naturgefühl seiner Zeit. Aber was Giovanni anstrebt, und was durch
ihn angeregt Giotto mit den umfassenderen Mitteln der Malerei noch ent-
schiedener versucht, geht als Vermächtniss auf die folgenden Zeiten über
und wird in der Plastik später von Donatello und Michelangelo auf höhe-
ren Stufen wieder aufgenommen und zur Vollendung gebracht. Der Ein-
Weihwasser
hecken da-
selbst.
ab Benc-
kls _Xl.
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Nachfolger
Giovannfs.
1) AI
vgeb.
Uicogrrarn I.