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minstcr. Doch sind auch sie nicht frei von einer gewissen Tlroekenhcit
des Styles, die nur durch den anspruchsloscn Ausdruck der Jugend
mildert wird. Ganz steif gestreckt in betcnder Haltung ist die prachtvolle
vergoldete Broncegestalt in der Kathedrale von Canterbury, bei welcher
nur eine gewisse gesammelte Energie des Ausdrucks an den berühmtesten
Sohn Eduards IIL, den sclnrvarzcn Prinzen, (T 1376) mahnt. Das mit
allemerdenklichen Aufwand errichtete Doppelmonuiiiciit, welches Ri chard II.
gleich nach dem Tode seiner zärtlich geliebten Gcmalin Anna von Böhmen
(1.394) in Westminster (errichtete, lasst eine höhere künstlerische Auf-
fassung vermissen. Beide Statuen aus vcrgoldetcni Erz durch die Lon-
donerKupfcrsclnniede _W'iclmla.s' Br0lt'ev' und Godlrey Prcsl laut dem noch
vorhandenen Contrakt ausgeführt, sind völlig conventionell und schwach
in der Zeichnung, in Köpfen und Haltung ausdruckslos. Richards grossen
Besieger IIeinrich IV. (t 1413) finden wir dagegen in dem glänzenden
Denkmal der Kathedrale von Canterbury zwar ebenfalls von etwas
steifer Haltung, dafür ist aber der Kopf voll Leben und Charakter. Seine
zweite Gemahlin J ohanna von Navarra (t 1437) zeigt bei einfacher etwas
monotoner Gewandung einen anmuthig feinen Kopf und elegant bewegte
zierliche Hände.
Uebcrhaupt erfüllt die anspruchsloscren von diesen Grabmälxern bei
aller Einfachheit und selbst Steifheit der Haltung ein wohlthuender Aus-
druck von Herzlichkeit und 'I'reue. Besonders gilt dies von den Doppel-
gräbern der Eheleute. S0 sieht man in der Kirche zu Elf or d in Stadortl-
shire das Grab eines Sir Thomas Arderne (T 1391) und seiner Gemalin
Mathilde. Beide Statuen, in Alabaster ausgeführt und reich bemalt, sind
in schlichter, der Ritter sogar in starr gestreckter Haltung; aber die
Köpfe zeigen individuelles Leben, er mannhaft und treuhcrzig, sie mild
und herzlich lächelnd. Wie sie so ruhig daliegen, zwei reizende Engel
ihm den Helm, ihr das Kissen halten, und die Frau ihrem Lebens- und
Todesgefahrten ihre Hand giebt, fühlen wir uns berührt, als ob wir die
einfache Geschichte eines durch eheliche Harmonie beglückten Lebens er-
zählen hörten. Die kleinen Figuren des 'I'rauergefolges an den Seiten des
ISarkophags haben zum Theil recht ansprechende ungezxrungcne Bewegung.
Auch sonst fehlt es nicht an Beispielen eines frischercn Aufschwunges,
der um den Beginn des 15. Jahrhunderts an den englischen Grab-
mälern zu spüren ist. Als das schönste dieser Monumente gilt wohl mit
Recht das Grabmal einer angeblichen Aebtissin in der Kathedrale zu
Chichestcr (Fig. 146). Die Gestalt gehört zu den erlclsten, welche die
englische Plastik herxtorgclnwielit hat; der schöne Kopf wird von zwei
trauernden lüngeln gehalten. die mit dem Ausdruck klagemller Fürbitte