Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Viertes Kapitel. 
der 
Nordische Bildncrci 
spätgothischexl Epoche. 
433 
des Kapitelhauses zu York. Auf einem Löwen und Drachen stehend, halt 
sie mit Mutterstolz ihr Kind dem Beschauer entgegen, wobei die schlanke 
Gestalt sich stark herausbiegt und die Gewandung mit grosser Meister- 
schaft in breiten Falten durchgeführt ist. Man erkennt in diesem treff- 
liehen Werke deutlich den Einfluss der gleichzeitigen continentalen Plastik. 
Dagegen zeigt sich der eigentliche englische Styl an den Kapitalen im 
Oktagon der Kathedrale von Ely, die vor 1343 ausgeführt sind. Sie 
schildern in kleinen Darstellungen sechs Seenen aus dem Leben der heil. 
Ethelreda. Hier ist nichts mchrvon der, wenn auch eonventionellen, doch 
schwungvollen Haltung der gleichzeitigen Werke des Continents; vielmehr 
macht sich eine Vorliebe für monotone Linien und steife Haltung bemerk- 
lich, in welcher man den ungünstigen Einfluss einer realistischen Richtung 
erkennen muss. Etwas später, um 1352, fallen die Bildwerke am Portal 
des Kapitelhanses zu Rochester, zu beiden Seiten die stehenden Gestal- 
ten der Synagoge und, als Vertreter der Kirche, eines Bischofs, der ein 
Kirchenmodell halt; darüber in den Arehivolten die sitzenden Gestalten 
der vier Evangelisten oder Kirchenvater und kleine betende Engel. Diese 
anmuthigen Werke stehen wieder dem continentalen Style näher und be- 
weisen abermals, dass zu derselben Zeit zwei verschiedene Auffassungen 
in der englischen Plastik ihre Vertretung fanden. Auch die herrliche Ma- 
donna mit dem Kinde vom Itlauptportal der Kathedrale zu Wells, ein 
Werk von grossartiger Schönheit, edel empfunden und in tliessend freien 
Gewändern, gehört derselben Richtung an. Ebenso eine Statue der Mag- 
dalena am Magdalenen-College zu Oxford, die ebenfalls den trefflichsten 
XVerken Deutschlands und Frankreichs gleiehsteht. 
Allein in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ver- 
schwindet dieser anmtithige schwungvolle Styl und macht der specitisch 
englischen Auffassung Platz. Je mehr jedoch diese ihre eignen Wege 
geht, desto nüchterner, steifer und geistloser werden ihre Schöpfungen. 
Dieser Art sind namentlich die Statuen normannischer Könige, welche um 
1377 an der Faeade der Kathedrale zu Lincoln aufgestellt wurden. Un- 
gleich lebendiger und frischer sind die ausgedehnten Bildwerke in der um 
dieselbe Zeit erbauten Vorhalle der Kathedrale von Exeter. Hier bildet 
die Krönung der Jungfrau den Mittelpunkt, an welchen sich die Apostel, 
Evangelisten und Kirchenvater, die Propheten und Patriarchen und endlich 
denn auch die Standbilder englischer Könige in zwei Reihen anschlicssen. 
Letztere gehören zu den frischesten und charaktervollsten Leistungen der 
Zeit, und wenn in der Behandlung der Form sich eine gewisse nationale 
Schwerfälligkeit nicht verlaugnet, so hat dagegen der Meister die einzelnen 
Gestalten mit grossem Geschick in eine fast dramatische Wechselbeziehung 
Liibkc, Gesch. der Plastik. 28 
Rochester. 
Oxford. 
Später: 
Werke.
	        
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