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Dritt-es Buch.
Ei nfiuss des
Cuntineuts.
dieser Epoche entstanden isti"). Wenn diese Gattung an Fülle. und Bedeu-
tung hinter den Werken des Continents zurüekstclit, so muss man aller-
dings sich erinnern, dass der grösste Theil derartiger Denkmäler durch
den puritanisehen Feuereifer des 17. Jahrhunderts zerstört werden ist.
Immer wird indess das Erhaltene genügen, um im Allgemeinen den Cha-
rakter der englischen Plastik dieser Epoche zu bestimmen. Im Wesent-
lichen ist derselbe von der Form des dortigen Kirehenbaues abhängig.
Da die englische Gothik selbst an ihren grössten Kathedralen nur massige
Portale anwendet; da die Gliederung des ganzen Aussenbaues im Laufe
des 14. Jahrhunderts noch (lurchgreifender als frühcrSaehe der rein archi-
tektonischen Dekoratxion ist, so bleibt der Plastik keine Gelegenheit zu
grossartigen eyklischen Compositionen. Sie muss froh sein, wenn sie, wie
früher an der Kathedrale zu Wells, die Fagaden mit Reihenfolgen von
Einzelstatnen bedecken kann. Diese Werke haben aber keinen religiösen
Inhalt, noch stehen sie zu einem kirchlichen Grundgedanken in Beziehung,
sondern sie stellen, wie schon früher zu Wells, (rhronologische Reihen der
älteren Könige Englands (lar. Ein merkwüialiger Beweis, wie früh sich
hier das politische Bewusstsein und der geschiehtliehe Sinn ausbildeten.
In einzelnen Fällen Inaeht sich wohl in der Architektur wie in ihrer
plastischen Aussehmüekung continentaler Einfluss geltend, und zwar ist
es nicht mehr die französische, sondern die deutsche Gothik, welche, wie
überall in dieser Zeit, in erster Linie den Ton angiebt. Die Fagade der
Kathedrale von York, das Portal am Kapitelhause zu Rochester sind un-
verkennbare Beispiele dieses Pliniiusses; allein derselbe wirkte mehr auf
die Architektur als auf die Plastik, und wenn man auch einzelne Bildwerke
nachweisen kann, die dem (ronventionellcn Sclnvliiige der gleichzeitigen
deutschen Werke folgen, so stehen diese in der Masse der englischen Seulp-
turen als Ausnahmen da.
Aus dem Anfange der Epoche stammen die Seulpturen an der Ka-
thedrale von Liehfield, soweit dieselben derZerstörungswuth entgangen
sind. Sie enthalten eine Reihe der früheren Herrscher des Landes, einige
sitzend, andere stehend dargestellt, alle voll Leben und hlannigfaltiglaeit
und in sichtbarem Streben narh individuellem Ausdruck. Aus der Frühzeit
des Jahrhunderts stammt auch die grossartige Madonnenstatue am Portal
l) Ausser Brilzfmüs Catheclral und desselben Verf. Architcct. antiquities vergl.
Curler, Specimens of ancieut sculptnre etc. 1780 und 1838. Fllb-Itlllllll, lectures
on scnlpture 1829. Coclierell, Iconographie of thß WGSt fr0llt Of WVellS Garn, wo
Zugleich eine Uebersichn der kirchlichen Sculpturen Englands. YVichtig für das ver-
gleichende Studium sind die Gipsabgüsse im Orystal Palacc zu Syd Qnhnm