Viertes Kapitel.
Nordische Bildnerei der spätgothischcn Epoche.
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vom Jahre 1401, beide bei Herrn Dumortier. Ihnen schliessen sich
an aus dem 15. Jahrhundert, ohne praeisere Ausfüllung des Datums, das
Denkmal des Jacques dZAvesne-s mit seiner Frau in St. Jacques, anmuthig
im Ausdruck der knieentlen Gestalten, welche von ihren Schutzheiligen der
thronenden Madonna empfohlen werden, ansserdem durch gut erhaltene
Polychromie bemerkcnswerth. Nicht minder edel aufgefasst und fein ans-
geführt das Grabmal des Eustache Savary im Qncrschid der Kathedrale,
welches die Verstorbenen in Anbetung derDreifaltigkeit zeigt, und endlich
der Grabstein des Jean du Bos vom Jahre 1438 bei Herrn Du mortier,
auf welchem wieder die Madonna vor einem von Engeln gehaltenen Vor-
hang die Hauptfigur bildet. Verwandte Grabdenkmäler, von 1409 bis
1431 reichend, finden sich in der Kathedrale von Mon s.
Der Mittelpunkt für die Entfaltung dieser niederländischen Kunst
wurde aber schon seit dem Ausgange des 14. Jahrh. die Residenz der
Herzoge von Burgund, die Stadt Di j on. Philipp der Kühne hatte hier im
Jahre 1383 die Karthause gegründet und durch reiche Schenkungen zur
Grabstätte seines Hauses geweiht. Um diese neue Stiftung würdig zu
schmücken, wurden die tüchtigsttin Künstler, namentlich aus den Nieder-
landen berufen. Von ihren bedeutendsten Arbeiten ist uns so viel erhal-
ten, dass wir ihre Thätiglteit zu würdigen vermögen, zumal da gründliche
Urkundenforschung uns mit manchem historischen Datum unterstützt.
Noch ziemlich einfach, aber von feinster Empfindung, im hergebrachten
idealen Style erscheinen die in Holz geschnitzten, mit Vergoldung und
Bemalung versehenen Statuetten der Apostel und anderer Heiligen an
zwei Altären, welche aus der Karthause in's Museum von Dijon ge-
kommen sind. Diese Arbeiten wurden 1391 von einem tlandrischen Künst-
ler Jakob (In Baerze aus Dendermondc vollendet. Zugleich war schon
seit 1384 ein französischer Bildhauer Jean rle rllcvznevillc mit den
Sculpturcn an den Gräbern der Karthause beschäftigt; und als dieser
139i) starb, wurde ein niederländischer lileistei- Clazm; Sluler, der bis
dahin unter ihm gearbeitet hatte, sein Nachfolger. Der neue Meister über-
tliigralte seinen Vorgänger und schwang sich zu einer künstlerischen Frei-
heit auf, welche seinen Arbeiten eine der ersten Stellen unter den gesamm-
ten Werken der Epoche anweist. Atich" fehlte ihm aussere Anerkennung
nicht; denn 1393 verleiht ihm Herzog Philipp Titel und Stellung eines
.,Varlct de chambre" und 1404 erhält er vom Kloster für eine Kreuzigung
eine ausserortlentliche Belohnung und zum Dank für seine angenehmen
Dienste auf Lebenszeit eine Stube im Kloster eingeräumt. In dasselbe
Jahr fallt der Contrakt über das prachtvolle Grabdenkmal seines verstor-
benen Herrn und Gönners, welches er mit Unterstützung seines Neffen