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Drittes Buch.
(Irabsseiuz
ZU
Tournay.
Rlurchgebildet und von edlem Seelenausdrucl; belebt. Leider wird durch
zu grelle moderne Bemalung die Wirkung geschwächt. Nicht ganz so
gut in den Verhältnissen ist der Engel, aber mit feiner Empfindung hat
der Künstler die leise Scheu ausgedrückt, in welcher der himmlische. Bote
sich naht und eben niederknieen will. Sein Gewand lässt bereits den Ein-
fluss der Werke Huberts van Eyck erkennen. Als liebenswürdige
Werke derselben Schule werden sodann auch die zierlichen Reliefs in der
1374 erbauten Katharinenkaptelle der Irh-aueiikirclie zu Courtray be-
zeichnet. Es sind Darstellungen aus dem Leben der illarizi und zweier
Heiligen, unter-mischt mit humoristischen und genicllafteu Scenen, welche
die Zwickel der Wandarkaden füllent).
Noch schärfer als an diesen idealen Gebilden lässt sich die neue Ent-
wicklung dieser Schule an einer Anzahl von Grab m alern erkennen, von
denen einige in den Kirchen, die meisten jedoch bei einem dortigen Kunst-
freunde Herrn Dumortier aufbeivahrt und dem (lrohenden Untergange ent-
zogen sind. Sie gehören sännntlich dem Ende des vierzehnten und den
ersten Decennien des folgenden Jahrhunderts an. Mehrere von ihnen sind
noch bei Lebzeiten der Verstorbenen auf Bestellung gearbeitet, wie man
aus dem unausgefüllten Datum schliessen kann. In dem bläulichen
marlnorartig feinen Kalkstein der Gegend ausgeführt, zeigen sie gleich-
wohl nur eine handwerkliche Auffassung, die freilich durch die reiche Be-
malnng, deren Spuren man noch wahrnimmt, gewinnen musste und immer-
hin durch das treuherzige Streben nach Naturwahrheit anziehend wirkt.
Gewöhnlich ist unter gothischcn IBaIdachinen die Madonna oder die Drei-
faltigkeit dargestellt, auf beiden Seiten von den knieenden Gestalten der
Verstorbenen und ihrer Fanlilienmitglierler verehrt. Dies ist die (lamals
allgemein übliche, der bürgerlichen Bescheidenheit angenlesseneä J-kuftassung
solgher Grabmäler, während die Grabsteine der vornehmeren Stande die
lebensgrosse Statue des Verstorbenen zum Mittelpunkt machen. Die
Figuren sind kurz, die Formen im Ganzen und in den Köpfen breit und
rundlich, die Gewandung ist in reichen hlasseirmit weichem Faltenwurf
angelegt, wobei-der schwere Stoff (leutlich bezeichnet ist, wie denn der-
selbe Naturalismus auch in der Behandlung des Nackten nicht vergisst die
kleinen Ilautfaltehen auszudrücken. Zu den bessern dieser Werke gehören
das Denkmal des Doctors der Rechte Nieolas de Seelin, das noch aus dem
14. Jahrhundert stammt, ferner der Grabstein des Goldseluniexles Jan Isac,
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Solmmnwj
Gesch.
564
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Hist.
Varch.