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Werke, die für den Standpunkt der Bildnerei bezeichnend sind. Vorn
Anfange des Jahrhunderts ist das Denkmal der Katharina von Ccurtenay,
Titularkaiserin von Const-antinolaol (T 1307), grossartig in der Haltung
und dem ruhigen Fluss des Gewandes, aber in den Gesichtszügen noch
etwas starr. Viel feiner ist schon die Gestalt der Margaretha von Artois
(T 1311); harter und minder erfreulich die ihres Gemahls des Grafen von
EVTCIIX (T 1319), und nicht minder scharf erscheint noch der Kopf
Ludwigs X. (T 1316), während das Gewand elegant stylisirt ist. Man
sieht überall, wie jene Zeit in der idealen Auffassung des Weiblichen,
Anmuthigen noch immer ihre eigentlichste Aufgabe fand. Ebenso ideali-
sirt ist das anziehende Grabmal des fünf Tage nach seiner Geburt (1316)
gestorbenen Johann I. Der Kleine zeigt die Gestalt eines etwa zweijährigen
Knäbleins, das mit unschnldigem Lächeln und fromm gefalteten Händen
einen rührenden Eindruck macht. Zu den (edelsten Gestalten gehören
sodann die Philipps V. und die Karls des Schönen (T 1328), von freier
Haltung und herrlichem Gewande; ferner die fein (lurchgeftihrte Statue
des Grafen von Etampes (T 1336), in Weissem hflatrmoi- auf schwarz-
marmorner Platte; ebenso und in demselben edlen Material die Stattnen
Karls von Valois und seiner Gemahlin. Dadurch, dass in all diesen
Bildern die ruhige Haltung und das lang herabfallende Gewand beibehalten
sind, bewahren sie sich vor der nüchternen Steifheit der meisten gleich-
zeitigen ritterlichen Grabsteine Deutschlands. Daneben zeigen aber die
Köpfe immer bestimmter das Streben nach individuellem Ausdruck. Mit
Entschiedenheit erkennt man dies schon an der Statue Philipps VI. (T 1350),
dessen breiter hässlicher Kopf mit dicker Nase und grossem hIunde sich
merkwürdig von der Idealititt der meisten früheren Werke unterscheidet.
Schwer und plump, aber offenbar sehr lebcnstreu ist auch die (iestalt des
unglücklichen Johann des Guten, der 1364 in der Gefangenschaft zu
London starb. Nicht minder zeigt Karl V. (T 1380) einen hässlichen
aber tüchtigen Kopf; auch das Gewand hat nicht mehr die Fülle und
Energie der früheren Zeit. Aehnliche Kraft der Charakteristik erkennt
man an einer Marmorstatue des Pariser Erzbischofs Wilhelm von Chanac
(T 1348), welche jetzt unter Nr. 279 sich im Museum zu Versailles be-
findet. Der bedeutende Kopf ist gross aufgefasst, die Haltung nrürdevcll
schlicht. Die aus gewöhnlichem Stein gearbeiteten Denkmale pflegte man
nach wie vor vollständig zu bemalen. S0 sieht man es an der einfach
aber ausdrucksvoll behandelten Statue des Kanonicus Renaud von Dormans
(T 1386), jetzt unter Nr. 299 in demselben Museum aufbewahrt. Wie
üppig übrigens um diese Zeit der Gräberluxus schon geworden war,
beweist die Nachricht, dass das Grab der Gemahlin Philipps VL, Blanca