Viertes Kap
Nordische Bil
lncrei
der spätguthißchcn Epoche.
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nlillil], wo der männliche und der weibliche Kopf weder in den gleich-
mässig jugendlichen Zügcn noch in den eonventionell gcringeltcil Locken zu
unterstaheitlen sind, und wo auch die männliche Gestalt durch (las lang
herabtliessemlc Gewand schön verhüllt ist. Dagegen uird schon seit der
Mitte des Jahrhunderts in den Ritterstatuen die veränderte 'I'racht ein
Hinderniss für die Entfaltung der Plastik, denn mit den kurzen WatTen-
röeken, den zuerst an den Gelenken auftretenden, dann auch weiter sich
verbreitenden Eisensehienen, die das geschmeidige Panzerhemd ver-
drängen und den ganzen Körper in ihre steifen Fesseln schlagen, ist jede
Möglichkeit einer edlen Darstellung ausgeschlossen. Die Gestalten zeigen
sich nun mit gespreizten Beinen und den abstehenden Armen, welche
nicht mehr zum Gebete gefaltet, sondern mit dem Halten des Schildes
und der Waffen, wohl auch des reichgeschmückten Tilrnirhehnes be-
schäftigt sind, in derselben ungeschiekte11- Sehwerfalligkeit wie das
Leben sie mit sich brachte. Die Treue der kostümlichen Durchführung
und der individuellen Auffassung des Kopfes ist nicht im Stande für den
Verlust einer stylvollen Behandlung zu entschädigen und das Natur-
gefühl ist noch zu schwach, um selbst das Sehwerfällige dei- äusseren
Erscheinung für die Darstellung ehrenfesten ritterlichen Wesens zu ver-
werthen. Eins der charaktervollstcil Beispiele ist der Grabstein des
Gegenkönigs Günther von Schwarzburg (T 1349), welcher drei Jahre nach
seinem Tode im Chore des Doms zu Frankfurt a. M. errichtet wurde
ttcrbilde]
und sich durch zierliche Detailailsfülnnng des Kostüme, sowie (lurch
vollständige Bemalung auszeichnet (Fig. 137). In derselben Kirche beiin-
det sich aus etwas späterer Zeit (1371) der Grabstein eines Ehepaars von
Holzhausen. Von verwandter Art ist die Statue eines Ritters von Falken-
stein (T 1365) in der Klosterkirche zu Arnsburg im Hessischen, nur
dass hier eine lebendigere Bewegung erstrebt wird, die freilich noch un-
geschickt sieh äussert. Feiner das Grabmal des Grafen Gebhard in der
Burgkapelle zu Querfurt, so wie das des Grafen Dietmar und seines
Sohnes in der Kirche zu Nienburg an der Saale, zwar ebenfalls von
steifer Haltung der beiden neben einander aufrechtstehenden Gestalten,
und ohne Stylgefühl im Faltenwurf des dem altern Grafen als Auszeich-
nung verliehenen Mantels, aber doch in dem still bescheidenen Ausdruck
der beiden Köpfe recht anziehend. Vom Ende (lieser Epoche stammt
(laun der (lrabstein des im Jahre 1241 in der Mongolensehlacht bei Lieg-
nitz gefallenen Herzogs Heinrich II. von Schlesien in der von ihm gestif-
teten Vincenzkirche zu Breslau (Fig. 138). Statt des sonst üblichen
Löwen hat der Fürst einen am Boden liegenden, mit besonderer nationaler
Antipathie charakterisirten Mongolen unter seinen Füssen. Der Ausdruck