Viertes Kapitel.
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der späitgothiscl
wehe.
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noeh etwas steife Befangeuheit; (lagegen ist die zweite Gemaliu eine
der schönsten Idealfiguren dieser Zeit, frei bewegt mit einfach gross-
artigem Faltenwurf, der liebliche sehmcrzuiniiortc Kopf vom Schleier um-
geben. Der Herzog selbst ist von steifer Haltung, aber im Kopfe von
entschiedenem Portraitausdruek.
Wie die Künstler jetzt anfingen, die Natur vor Augen zu nehmen
und getreu nachzubiltlen, zeigt in naiver Weise eine Miniatur in einem
Manuscript, welches dem Nationalmuseum in München angehört. Dort
lässt eine Königin den Grabstein ihres Gemals anfertigen und steht
schluchzend neben dem Bildhauer, der seine Arbeit nach der herbei-
gebrachten Leiche des Verstorbenen ausführt. Ein anderes Beispiel, noch
vom Ende des '13. Jahrhunderts, wird uns durch den Chronisten Ottokar
von Ilorneckit) bezeugt. Er erzählt, dass Rudolf von Habsburg einem
Bildhauer den Auftrag gegeben habe, seinen Denkstein für den Dom zu
Speyer zu arbeiten. Der Künstler habe sich desshalb das Gesicht des
Kaisers bis auf die einzelnen Falten eingeprägt. Als dann aber bei zu-
nehmenden Jahren die Falten sich vermehrt hatten, seider Meister aus-
drücklich dem Kaiser nachgereist, um sich von diesen Veränderungen zu
überzeugen und dieselben auf seinem Steine nachzutragcn. Der Chronist
aber tadelt sein Benehmen und nennt es einen aalbernen Sitt." Es war
übrigens natürlich, dass das Streben nach individueller Charakteri-
stik zuerst an den männlichen Köpfen sich versuchte, die durch kräfti-
gere lilntwicklung der Form, auch wohl durch den Bart dem Bildner
einen Anhaltspunkt gewährten. Für die weiblichen Köpfe hielt man da-
gegen gern, auch bei Portraitstatuen, an dem idealen Typus fest, der sich
allmählich herausgebildet und namentlich an den zahlreicheil Madonnen-
statue-n entwickelt hatte. Erst im weitern Verlauf und gegen das Ende
der lßlpoche, nachdem mehrfach, wie an der Nürnberger Frauenkirehe,
die Künstler begonnen hatten den leer gewordenen Typus der Madonna
(lureh das untergeschobene Bild irgend einer schönen und liebenswerthen
irdischrwu Jungfrau neu zu beleben, eroberte man auch für die weibliche
Portraitstatue das Gepräge der bestimmten Persönlichkeit. Einzelne
Nachzügler der altern durchaus idealen Auffassung lassen sich bis in" die
Spätzeit des vierzehnten Jahrhunderts nachweisen. S0 eine weibliche
Grabstatue vom Jahr 1370 in der Barfüsserkirehc zu Plrfurt, so nament-
lich das schöne Denkmal in der Elisabethkirche zu ltlarburg vom J ahre
137G,-vcrmuthlieh des Landgrafen Heinrichs des Eisernen und seine-r Ge-
Idcälc und
individuelle
Auffassung.
a") Diese bei lWs, Scriptt. rcr. Allah?
dem Cimt bei Sclzluzase VI. S. 385.
VIII zubgcdnlckte Stulle verdanke ich
Vul.