Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Viertes Kapitel. 
Nordische Bildnerei der spätgothischen Epoche. 
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Chorportal enthält in der tiefen Laibuilgsiiäehe des Bogens, der dasselbe 
Yorhallenztrtig umfasst, überaus naive Darstellungen der Schöpfungs- 
geschichte bis zum Dankopfer Noahs nach der Sündtiuth, in klarer Anord- 
nung lebendig erzählt. Bei den einzelnen Schöpfungsakten ist Gott innner 
in derselben Stellung wiederholt, wodurch die Bedeutung der Gestalt dem 
Beschauer besonders cingeschärft wird. Bei der Sündtiuth sieht man die 
Arche Noahs als einen grossen Kasten, aus dessen Fenstern recht ge- 
müthlieh unten die Thiere, oben die Noalfschen Eheleute herausblicken. 
Von den Archivolten enthalten die äusseren würdige Prophetengestaltcn, 
die inneren holdselige Engel 1nit den ilIarterwerkzeugen von einem Schön- 
heitsgefühl, wie es in der Kunst der gesammten Epoche selten so rein zu 
Tage tritt. Unterhalb an den Thürgexxräinden finden sich Konsolen für 
zwölf Statuen, von denen nur Moses und Jesaias ausgeführt sind. Das 
Tyunpanon endlich enthält in drei Abtheilungen das jüngste Gericht: oben 
Christus mit der barocken Darstellung der Schwerter an seinem Munde, 
von blasenden Engeln und den beiden Fürbittern Maria und Johannes 
umgeben. Dann folgen in der mittleren Reihe die sitzenden Apostel in 
lebhaftester Bewegung; unten die Auferstehung der Todten in gedrangten, 
dramatisch, ja selbst (lrastiseh entwickelten Gruppen und naiver Charak- 
teristik aller Stande, nforin die lilysterienspiele schon keck vorangegangen 
waren. Unter den Teufeln ist ein froschartiger höchst humoristisch. Dies 
ganze reiche Portal erhält durch die prachtvolle alte Polychromie eine 
besondere Bedeutung. 
Das N ordportal des Chores giebt in seinem Tympanon, eben- 
falls in drei Alotheilungen, die Leidensgesehiohte bis zur Erlösung der 
Xioraltern aus der Unterwelt; die Archivolten sind in gedrängtei- Anord- 
nung mit achtzehn kleinen Gruppen ausgefüllt, welehe die Martyrien der 
Apostel und anderer Heiligen schildern. Die Arbeit ist derjenigen am 
Südportal verwrandt, voll Leben aber nicht sehr fein. Bedeutender sind 
jedoch an beiden Seitenwänden die Statuen der thüriehten und klugen 
Jungfrauen, liebliche schlanke Gestalten von grosser lllanniehfaltiglzeit 
der Bewegung, bisweilen freilich etwas gezwungen, die Köpfchen von 
einem vollen Oval, der kleine Mund üppig schwellend, die Locken reich 
geringelt, der Faltenwurf (atfcktvoll ausgetieft. Das nördliche Schiff- 
portal enthält in zwei lebensgrossen Statuen die Verkündigung voll 
grossartiger Auffassung und origineller Bewegung. So hält die Jungfrau 
wie zur Abwehr das sammt dem Gewande gefasste Gebetbuch erröthend 
vor's Gesicht. Es ist eine treffliehe Arbeit, die. gleich den übrigen 
Werken durch die schöne alte Bemalung noch ausdrueksvoller wird. Das 
Bogenfeld zeigt Momente aus der Kindheit Christi, oben die Geburt,
	        
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