Zweites Kapitel.
Aegypton.
Die menschlichen Gestalten, die ein etwas gedrucktes, schweres
Verhältniss zeigen, sind in F0l'111 und Bewegiuig mit ziemliehem Verständ-
niss aufgefasst, in einzehien wird selbst die Muskulatur mit richtiger Be-
obachtung angedeutet. Um so auftalleniler sind gewisse Verstösse, die
dem Organismus des Körpers und seiner Bewegung widersprechen. Dahin
gehört nicht blos, dass bei sehreitenden Figuren beide Füsse mit ganzer
Sohle am Boden haften, sondern mehr noch, dass bei scharfer Profil-
stellung des Kopfes und der Beine der ganze Oberkörper in der Vorder-
ansicht dargestellt ist. Diese letztere für uns so auffallende Anomalie
seheint weniger einem lllangel an richtiger Beobachtung, als vielmehr
einer gewissen Unbeholfenheit in der Handhabung des Reliefstyls anzu-
gehören. Denn da bei diesen Darstellungen von ltundung der Körper
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. Fig. 7. vAegyptische Reliefköpfe. Thcben.
nicht die Rede ist und dieselben nur als zweite Flache vermittelst einer
geringen Erhebung aus der Grundiläiche hervortreten, so musste es der
ägyptischen Kunst wohl unmöglich scheinen, von dem breiten Oberkörper
der mcinsehliizluiii Gestzllt durch die Profilstellung eine genügend klare
Vorstellung zu geben. Der ägyptische Künstler hatte eine klare und im
Wesentlichen richtige Anschauung von jedem einzelnen Theile, nicht aber
vom Ganzen der menschlichen Gestalt, denn dazu fehlte ihm die Beob-
achtung der Perspeetivc. Wie hätte er also bei seinem Standpunkt es
aufgeben mögen, beide menschliche Arme vollstiinilig und in ihrer Ver-
bimliliig mit dem Rumpfe. vorzufiiliren! Auf Deutlichkueit und Riehtiglaeit
ging sein ganzes Streben, und da er letztere nur in mechanischem, nicht