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Drittes Buch.
führen, und zwischen all den [lnlläitereien die rührenden Klagen der
frunnneii Frauen ertönen, so muss man gestehen, dass die Bildhauer be-
scheidenen Gebrauch von der künstlerischen Liceilz ihrer Zeit gemacht
haben. Aber die Poesie ist stets die Vorlänferin und Wegbalmerin für
die Plastik, und wir werden in der folgenden Epoche sehen, wie der immer
zunehmende, Geschmack am Rüpelhaften auch in die Bildwerke eindringt.
Deutschland.
I0 von
nhnrgz.
Wenn wir aus der grossen Menge plastischer Werke, welche diese
Zeit namentlich in Deutschland hervorgebracht, das Bedeutendere hervor-
heben, so ergicbt sich bald, dass bei den bessern Meistern eine Auffassung
vorherrscht, die sich noch nicht weit von dem Style der vorigen Epoche
unterscheidet, ja sogar in Kraft der Durchbildung und Warme der Empfin-
dung ihr mit Glück nacheifert.
Unbedingt die erste unter den plastischen Schulen des vierzehnten
ist die von Nürnberg. Ihre erste bedeutende Leistung ist
das um den Anfang des Jahrhunderts ausgeführte. Westportal derLorenz-
kireheü). Auf der Grenze beider Epochen stehend erinnert es in seiner
Composition an die grossen cyklischen Darstellungen des dreizehnten Jahr-
hunderts und schliesst sich am meisten (lem vielleicht kurz vorher ent-
standenen Hauptportal des Strassburger Münsters an, dessen Faearle dem
Meister von S. Lorenz in mehr als einer Beziehung vorgesehwebt zu haben
scheint. Es enthält am Mittelpfeiler die Statue der Madonna, an den
Seitenwänden Adam und Eva und zwei ,Patriarchen, in den Arehivolten
sitzende Apostel und Propheten, endlich an dem Tympanon in Vielen
kleinen Reliefs eine Darstellung des Iiebens Christi von der Geburt bis
zur Auferstehung und das jüngste Gericht. Um (lafür Raum zu gewinnen,
verfiel der Meister auf die sinnreiche Idee, unter dem eigentlichen 'I'_vmpa-
non die beiden Abtheilungen der Thür mit besondern Bogenfeldern zu
krönen, um in diesen die Geschichte der Kindheit Christi, Geburt, An-u
betung der Könige, Beschneidung und Flucht nach Aegypten anzubringen,
Wobei ihm noch Platz blieb für eine Darstellung des Urtheils Salomons.
In den Bogenzwickeln brachte er vier Propheten an, die mit seltsam ver-
renkten Stellungen den Raum mühsam ausfüllen. Im Tympanon schildert
ein Relieffries über dem Portalbalken in dicht gedrängten Gruppen die
Scenen der Passion, raus denen sich in der Mitte der Gekreuzigte mit der
a) Eine kleine, aber charakteristische Abbild.
Kunstlebon (Stuttg. 1854) S. 21.
in H.
Ifellberg ,
Nürnl
xergis