Viertes Kapitel.
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ische Bildnerei der spätgot-hischen Epoche.
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des Individninns hcrbeiführte. Aber um die daraus hex'voi'ivzurlisenden
Aufgaben zu lösen, fehlte es dem Mittelalter an gründlich eindringemleii
Naturshldien. Erst eine neue Zeit, welche die Fesseln der befangenen
kirchlichen Anschauung brach und den Schleier zerriss, der den Menschen
das klare Bild der Natur verhüllte, sollte dafür Rath schaffen.
Denn wie auch schon die Meister des (lreizehnten Jahrhunderts die
menschliche Gestalt oft mit überraschender Lebendigkeit und Wahrheit,
ja selbst im Einzelnen mit realistischen Details hinzustellen vermochten:
sie wurden dabei mehr von einer frischen Einbildungskrzift als von genauen
Studien geleitet. Ihre Gestalten sind mehr fein mnpfundcn, als tief ver-
standen. Im letzten Grunde fehlt ihnen doch jene siegreiche Gewissheit,
die aus dem vollen Bewusstsein vom Gefüge des Körpers und seinen
inneren Bedingungen allein hervorgeht. Auch die Künstler des vierzehnten
Jahrhunderts kommen darin im Ganzen nicht viel Weiter, sondern begnügen
sich, wie gesagt, mit besserer Durchbildung der Einzelheiten. Aber in
anderer Beziehung brachte der aufkeimende Natursinn ihrer Plastik manche
Bereicherung. Sie betrachteten häufiger und mit mehr Interesse für's
Detail das sie umgebende Leben und fügten ihren Darstellungen manche,
genrehafte, selbst lnunoristisehe Züge ein. Es war das einzige lllittel,
die nachgerade etwas verbrauchten Steife aufzufrischen. Die Region der
Teufel (bei Schilderungen des jüngsten Gerichtes) war eine der frühesten
und mit Vorliebe ausgebeuteten Domänen dieses kräftig (erwachten Humors.
Jene dämonische Unheiinlichkeit früherer Darstellungen wich jetzt bur-
leskcn Ausmalungen. Man rfiachte sich tingcschcnt über den Teufel lustig.
Aehnlieh boten bei Darstellungen des heiligen Grabes oder der Aufer-
stehung Christi die schlafenden Wächter genug gcni'ehafte Motive, die mit
Eifer benutzt wurden. Wer das Mittelalter keimt, wird über diese Ver-
mischung des Heiligen mit dem Profanen, ja mit dem Niedrig-laomischrlu
nicht staunen. Geben doch im vierzehnten Jahrhundert die Mysterien-
spiele, die von der Kirche ausgegangen waren und sich der geistlichen
Protektion erfreuten, schon ganzandere Beispiele dieser Art. Wenn in
einem Spiel von der Auferstehung Clhristit) die Wächter am Grabe sich
mit Sehimpfworten und Prügeln regaliren; wenn der drei frommen Frauen
wegen, die mit Spezereien den Leichnam des Herrn einbalsamircn wollen, ein
burleskes Zwischenspiel eingelegt wird, wo der Salbenhandler seine Bude
aufschlägt, sein Kilecht Rubin ihm die Frau entführt, die schlimmen (le-
sellen Lnstm-Inilk und Pusterbalk gleich den Anderen unsaubere Reden
Vurhiiltniss
zur Nntmn
Pnssex
afte.
Herausgegc
nrch F. J. Muue
hen aus ciner Handschrift
Altdeutsche Schauspiele.
der U
1841.
nivertäitshi bliuthcl;
S. 109 ff.
Innsh
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