Drittes Kapitel.
Nordische Bildnerei der frühgothischen Epoche.
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Die Grabsteine englischer Könige zu Font-evrault (S. 353) bewahrten
noch im Anfange. des Jahrhunderts überwiegend den strengen Styl der
früheren Zeit. Erst das Denkmal König Johanns (T 1216) in der Kathe-
drale von Worcester, wahrscheinlich gleich nach seinem Tode gesetzt,
zeigt eine neue Weise derDarstellung. Der König liegt mit offenen Augen
in lebendiger Haltung, in der Rechten das Seepter, die Linke am Schwert-
griif. Der Kopf zeugt von entschiedenen] Streben nach Charakteristik.
Selbst der Löwe, auf dem er steht, beisst in die Sehwwirtseheide. Es ist
wie die erste originelle Aeusserung eines neuen Lebcnsgefühls, welches
noch mit strengeren Stylformen, mit dem parallelen Faltenwurfe und der
ernsten Auffassung der früheren Zeit im Kampfe liegt. Dies Streben nach
Ausdruck führt nun bei den zahlreichen ritterlichen Denkmälern zu einer
cigenthümlichen Behandlung. Die Gestalten erscheinen stets in voller
Rüstung mit Kettenpanzer imd kurzem Watfenroek, oft in kriegerischer
Haltung und kampfbereit, meistens mit gekreuzten Beinen. Dies letztere
fast gcnrehzifte Motiv hat man wohl als Andeutung, dass der so Dar-
gestellte einen Kreuzzug mitgemacht habe, erklären wollen. Es ist aber
nichts anderes als der Wunsch, diese rüst-igen Gestalten nicht ruhend,
sondern schreitend darzustellen, wie wir Aehnliches, wenngleich in anderer
Weise, nämlich durch Protildarstellung auf mehreren Bischofgrabern zu
Bamberg fanden.
Eine Reihe solcher Denkmäler sieht man in der 'l"emplerkirche zu
London. Der früheste ist vielleicht der Grabstein des Geoffrcy de
Magnavilla, Grafen von Essex, mit harten Gesichtszügen, in schreitendcr
Bewegung, die durch das wehende Gewand noch mehr hervortritt. Die
Rechte liegt auf der Brust, die Linke halt den Schild. Ganz ähnlich ist
die Gestalt eines Lord De Bes, nur von etwas weicherer Behandlung; die
Rechte wieder auf der Brust, die Linke am Schwert. In einem jüngeren
Lord De Ros erscheint dieselbe Auffassung zierlicher, das Sehreitcn
elastisch, das Gewand reich motivirt; der Kopf ist trotz seines typischen
Lachelns und der geschwungenen Locken voll eharakteristischen Lebens,
die Hände sind wie zum Gebet gefaltet, der Ausdruck mild. Dagegen
ist die Statue desGrafen Bohun von Ilerefort noch ganz straff gestreckt,
die Hände auf der Brust gefaltet. Noch herber, hart in der Ausführung
und starr in der Haltung mit gespreizten Beinen ist das Bild des William
hlarshall (trafen von Pembroke. Die rechte Hand liegt am Schwertgriii".
Sein Sohn William ist (lagegen mit völlig gekreuzten Beinen in sehr leben-
diger Haltung dargestellt, das Schwert aus der Scheide ziehend. Der
Kopf ist noch hart behandelt, aber jugendlich, das Gewand. Hiessentl.
Noch kühner und ausdrueksvoller ist die ähnliche. Statue des andern
Grabsteine.
WVorcesler.
'I'elnpler-
kirche z:
London.