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Drittes Buch.
Salomo auf seinem 'I'hrone, und auf dem abgetreppten Rande des Giebcls
sieht man die zwölf Löwen hocken, welche nach der biblischen Beschrei-
bung die Stufen seines Thrones schmückten; darüber noch zwei grösscre
aufrecht stehende Löwen, welche einen zweiten Thron zu halten scheinen,
den auf der Spitze des Giebcls die Ilimmelslaönigin einnimmt. Das süd-
liche Seitenportal giebt in neu hergestelltem Relief am Bogenfelde eine
Schilderung des jüngsten Gerichts und an den unteren Wänden die Statuen
der thöriehten und klugen Jungfrauen, letztere besonders anmuthig. Der
Styl dieser grossen llIenge von Bildwerken, die zum Theil getreu restaurirt
sind, kommt in Leichtigkeit und Anmuth den französischen Arbeiten nahe,
zeigt aber in der gehäuften Anordnung, der gar zu reichen Gewandung
und besonders in (lem Streben nach lebendiger Bewegung der Gestalten
schon den Keim manieristiseher Behandlung.
Das zweite grossc Denkmal sind die Sculpturen des Ministers zu
Freiburg, einfacher und strenger im Styl, auch wohl um mehrere De-
eennien alter, als die Arbeiten der Strassburger Facatle. Zunächst die
Statuen der Apostel an den Pfeilern {des lllittclschiiiis, meistens gute, ein-
fache Arbeiten, die mit der Vollendung des Sehiffbaucs vor 1270 entstan-
den sein werden. Die Köpfe sind nicht eben fein oder bedeutend, die Ge-
wänder aber bei flachem Faltcnwurf zum Theil schön metivirt. Dagegen
sind die drei westlichen der NOlTlPßillLä arg manieristiseh im übertriebenen
Styl des vierzehnten Jahrhunderts, gewaltsam benvegt und mit tief aus-
gearbeiteten Faltcn auf den Effekt berechnet. Zum Allerschönsten unserer
Epoche gehört jedoch wieder die grosse Madonncnstattle, welche am Ende
des Sehiiies über dem Portalpfeiler angebracht ist, sammt den beiden
leuehterhaltenden Engeln am ilaehstcn Pfeilerpaar. Flüssiger, feiner,
freier bewegt als jene älteren, sind sie nicht ohne ein starkes Schmiegixn
und Neigen, aber noch rein und naiv, den besten Arbeiten von Rheims
verwandt. Dabei zeigen sie eine gewisse Fülle der Körperform und die
lebendigste Motivirung der Gewänder. S0 wirft sich der Mantel der
Madonna in grossgeschwungenen Linien, da sie sich nach links heraus-
biegt, wo sie das Kind tragt. Die Gesichter sind offen, die Stirnen breit
und der Mund zum gewohnten Lächeln verzogen.
Demselbcn Style begegnen wir wieder in den Sculpturen des west-
lichen Portals und seiner Vorhalle, einem der herrlichsten Denkmäler
dieser Zeit. Das Tympanon des Portals enthält in mehreren Reihen
von Reliefs unten die Geburt Christi und die Anbetung der Ilirten, sowie
seine (iefangeunalnne und Geisselung; darüber eine ausführliche Dar-
stellung des jüngsten Gerichts. In der Spitze des Tympanons der thro-
nende Christus, von Engeln und den fürbittenden Ciestalten der Maria und