Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Drittes Kapitol. 
Nordische Bildnerei der frühgothiscllen Epoche. 
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bracht. Es sind sechs fast lebensgrosse (iesttiltcm, der Mehrzahl nach zu 
dem Herrlichsten der Zeit gehörend. Zunächst eine stehende Madonna 
mit dem Kinde, minder bedeutend, obendrein stark ergänzt. Dann folgt 
eine Sibylle wie es scheint, ein streng matronaler Kopf mit der Binde, 
scharf hinausblickentl. Mit emporgehobenei- Linken wirft sie eine ganze 
Fluth von prächtigen Falten, die in der Durchführung völlig der Antike 
nachgebildet sind. Noch mehr gilt das von  weiblichen Ge- 
stalt mit einem Buche in (ler Hand, die durch den Schleier auf dem Haupte 
und dasselbe Motiv der reich durchgeführten Gewandung geradezu als 
Studie nach einer römischen Matronenstatue erscheint. Diese beiden 
Werke könnten von demselben Meister herrühren. Dagegen ist die 
folgende, der Engel der Verkündigung, wieder in dem einfachen Styl be- 
handelt, der an den Portalstatuen uns entgegentrat, nur etwas strenger in 
der Durchführung. Das Gewand fliesst ganz schlicht herab, der Kopf 
zeigt starke Züge, scharf geschnittene Lippen, grosse Nase, geschlitzte 
Augen mit breitem Lächeln und langes Loekenhaar. Dann folgt ein 
heiliger Bischof und der h. Dionysius, letzterer mit erneutem Kopfe, beide 
mehr conventionell behandelt.  Wie unternehmungslustig sich diese Zeit 
an die schwierigsten Aufgaben machte, beweist das Reiterstandbild des 
h. Stephan, welches auf einer breiten, von Konsolen getragenen Platte 
ziemlich hoch an einem Pfeiler im Dome angebracht ist (Fig. 129). Der 
jugendliche Reiter sitzt leicht und elastisch in seinem hohen Sattel und 
schaut wie von einem Throne mit anmuthigcr Wendung des Kopfes herab. 
Sein Pferd ist ein schwerer Gaul von unedler Rage, dabei ziemlich steif- 
beinig, der Kopf mit hässlicher Rammsnasef); aber das Naturstudium, 
welches bis auf die grossen Hufeisen genau ins Einzehie dringt, zeigt sich 
von sehr tüchtiger Seite. Selbst zu einem Reiterstandbild auf offenem 
Markte, also nicht mehr für kirchliche Zwecke gearbeitet, versteigt sich 
der kühne Muth dieser Epoche in dem Reiterbilde Kaiser Otto's I. auf dem 
Markte zu Magdeburgfüf). Auch hier wirkt die lebensvolle Kraft und 
Frische in der Bewegung und im Ausdruck des Kopfes anziehend und 
lässt die mangelhafte Durchbildung xiergessen. Zwei allegorische Gestalten 
von Tugenden geleiten den Reiter. In späterer Zeit, gegen Ende des 
vierzehnten Jahrhunderts, wurden noch andere Figuren hinzugefügt, und 
neuerdings erfuhr das interessante Denkmal eine durchgreifende Wieder- 
herstellung. 
Magdeburg. 
 Sehr charakteristisch abgeb. in Angle-Vs K]. Sehr. I. S. 
schnitt ist nach einer mir gütig mitgenheiltcn Zeichnung des 
Georg La.s'iu.v angefertigt.  
H) Eine freilich ungenügende Abb. in Ollo-Qurlxläv Zeitschr. 
L iihkc, Gcsvh. der Plastik. 
159. Unser Holz- 
Ilcrrn Architekten
	        
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