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Drittes Buch.
Goldene
Pforte zu
Freiberg.
ihren Opfergaben und Abrahams Opfer (Fig. 127), lauter alttestament-
liche 'l"-ypen des Opfertodes Christi. Diese Werke, in kräftig vorsprin-
gendern Relief (lurehgeführt, athmen ein überraschendes N aturgefühl, das
durch die antikisirte Gewandung hervorbricht und selbst in den über-
lieferten Gestalten Christi und der Evangelistensymbole zum Atlsdruck
kräftigen Lebens sich aufsehwingt. Während manches, namentlich die
Hände, noch ungeschickt ist, zeigt sich in den Gestalten eine edle
plastische Fülle und in den Köpfen nicht nur Schönheitssinn, sondern
selbst ein freies Seelenleben. So ist Kains tiefe Trauer ergreifend ge-
schildert, so die kindliche Ergebung Isaaks naiv ausgesprochen. Die
künstlerische Begabung des Meisters erhellt aber auch aus der grossen
Mannichfaltigkeit der Gewandmotive, die nur bei Abraham durch das
fast pathetisch Gewaltsame der Stellung etwas unruhig ausfallen. Bei der
Anbetung der Schlange ist mit Geschick der Körper des todt Daliegenden
hinter den beiden vorderen Gestalten fortgeführt. Beim Opfer Abels er-
scheint die Ausführung nicht so fein, doch lasst sich in dieser Hinsicht
nur annähernd urtheilen, da sämmtliche Figuren, ehemals vergoldet und
bemalt, jetzt braunroth angestrichen sind. Ist dies trelfliehe Werk auch
nicht gleichzeitig mit der Vollendung der Kirche im Jahre 1184, sondern
wohl erst im Beginne des 13.Jahrhimderts hinzugefügt, so erscheint doch
der Gegensatz mit den barbarischen plastischen Arbeiten des südlichen
Deutschlands sehr auffallend und für den Zustand der deutschen Kunst
jener Zeit, für ihre verschiedenen Richtungen und Schicksale höchst be-
zeichnend. Ja, selbst wenn wir es in das zweite Viertel des dreizehnten
Jahrhunderts herabrüeken, steht es unter säinnntlichen gleichzeitigen
Arbeiten ziemlich vereinzelt da. Seine Erklärung lindet es nur im Zu-
sammenhange mit den um dieselbe Zeit oder kurz vorher entstandenen
Sculpturen in der Kirche zu Hecklingen und an der Busskalaelle zu
Gernrode (S. 301 fg.)
Noch glänzender entfaltet sich derselbe Styl an den Sculpturcn der
goldenen Pforte (les Doms zu Freiberg im Erzgebirge?) Hier hat offen-
bar die prachtvolle Anlage der gothischen Portale Frankreichs einem
(leutschen Meister um die Mitte des 13. Jahrhunderts den Anstoss ge-
geben, den romanischen Styl gegen die neue Bauweise in die Schranken
zu führen und mit ihr um die Palme ringen zu lassen. In grossartiger
Anlage, in Adel der Ornamentik, vor allem aber in reichlicher Anwen-
dung bildnerisehen Schmuckes nimmt es unter allen romanischen Portalen
w) Die Abbildungen in Pullriulläv Dcnkm. von Sachsen I.
einen richtigeren Begrili" als die in E. Fov-ß-zw-u- Denkm.
1 geben im Ganze