Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Drittes Kapitol. 
Nordische; Bildnerei der frühgotlmischcn Epoche. 
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wanduiig aufgefasst: Philipp, Ludwigs des Dicken Sohn, nicht minder 
 im Wurf des lebendig bewegten hlantels; überaus grossartig 
und einfaeh, im freiesten Adel die Statue der Oonstailee von Oastilien. 
Meisterlieh durchgeführt sind auch die Gestalten Heinrichs I. und Roberts 
des Frommen, ferner Philipp, Ludwigs IV. Sohn. Aber mit besonderer 
Innigkeit der Empfindung sind die beiden Prinzen Philipp, Ludwigs IX. 
Bruder (T 1221) und Iiudwig, der Sohn desselben Königs, eharakterisirt. 
Eigenthümlieh fein, roll jugendlicher Anmuth hebt Philipp die gefalteten 
Hände frei empor und bewegt das eine Knie wie zum Sehreiten; die Ge- 
wandung ist schlicht und edel gelegt, das Ganze eingeschlossen von zier- 
licher Nische mit Baldaehin, die mit mannigfaeh bewegten Statuetteil 
Leidtragender geschmückt sind; ausserdem durch trefflich erhaltene Poly- 
ehromie ausgezeichnet. Während auch hier die Köpfe noch ideal und 
typisch sind, eröffnen Isabella von Aragonien (T 1271) und ihr Gemahl 
Philipp der Kühne (T 1285) die Reihe der Statuen, an weleheix unter Bei- 
behaltnng derselben Grundform zum ersten Mal das Streben nach Wieder- 
gabe (les individuellen Gepräges, nach Pertraitwahrheit zur Geltung 
kommt.  Aus der Slaatzeit des Jahrhunderts ist sodann noch das Grab- 
mal des Erzbisehofs de la Jugie (T 1274) in der Kathedrale von Nar- 
bonne als ein tretfliches Werk zu nennen. 
Dass dieser gewaltige Aufsclnxiung der Plastik auch auf die ver- 
wandten Künste entscheidenden Einfluss übte, namentlich aber den Arbei- 
ten der (Sloldsehmiede ein eleganter-es Gepräge gab, erkennt man aus jedem 
Erzeugniss dieser Epoche. Als eins der glanzendsten und vollendetsten 
Beispiele ist nach den massenhaften Zerstörungen, welche gerade diese 
Werke heimgesucht haben, der Schrein des h. Taurinus in der Kathedrale 
von Evreux vom Jahre 1255 zu nennen i). 
Arbeiten 
Gold- 
Schmied 
der 
0. 
Deutschland. 
In Deutschland tritt uns die Plastik dieser Zeit nicht so grossartig, 
nicht so einheitlich geschlossen, dafür aber desto inannichfaltiger entgegen. 
Während in Frankreich durch den schnellen Sieg des gothisehen Systems 
das bunte interessante 'l'reilJcn der früIuaren lokalen Schulen zum Schwei- 
gen gebracht wurde und der bei aller Neuerungslust durchaus regel- 
siichtige Charakter der Franzosen sich zum ersten Male in der Kunst 
geltend machte; erhebt sich in Deutschland als treuer Nachhall der poli- 
tischen Verhältnisse grade jetzt zu g-rösster Kraft der hartnäckige Unab- 
hangigkeitssiitn der Einzelnen. Ungefügig, der einheitlichen Leitung 
Vielseitiges 
Streben. 
i) Trefflich abgebildet in den M61. 
(Yarchöol.
	        
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