Drittes Kap
Nordische Bildnerei der frühgothischen Epoche.
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gefalteten Händen, während der Andere seine Krone (larreicht. Hinter
ihnen zwei anmuthige Engel mit Weihraueligefassen, unten zwei andere
kniecnd mit 'l'üc,hern, die sie ausbreiten. Interessant ist die Beobachtung,
wie der Künstler hier bei mässigeren lilitteln einen Auszug aus den grossen
plastischen Cyklen der französischen Faeatlen zu geben, und wie sinnig
er dabei auf den dortigen Styl einzugehen wciss.
Dersclbe neue Styl spricht sich nun auch in den Grab denk mälern
ans. Der ideale Sinn der Zeit begnügt sich selbst hier mit einem allge-
meinen Typus, der in der Regel das Gepräge jugendlicher Anmnth trägt,
während ein schärferer Ausdruck des Individuellen noch nicht verlangt
wird. Zu den frühesten dieser Arbeiten gehören mehrere Grabsteine in
der Abteikirche zu Fontevrattilti"), welche den Uebergangans dem älte-
ren Styl in die neue Auffassung mit festen Daten belegen. Der Grabstein
Heinrichs II. von England (T 1189) zeigt noch die schlichte aber edle
Auffassung romanischer Zeit in klaren, straffen Falten, in strenger Hal-
tung mit dem ruhigen rXnstlruek des Schlunnners; die Hand hält, wie im
'I'rau1ne, auf der Brust das Seepter. Aehnlieh erscheint Heinrichs (temalin,
Eleonore von Guyenne (T l 204), in Haltung und (äetvzmdung noch ziemlich
eonventionell, die feinen Züge ebenfalls in stillem Schlummer, beide Hände
auf der Brust gekreuzt, und nur der Wurf des Mantels zeigt ein noch
mühevelles Streben nach lebendigeren Motiven. ln dem (Jrabmal von
Richard Löwenherz (T 1199) ist dagegen die Gcwandung wieder einfacher,
der Körper in schlanken Verhältnissen, der ziemlich kleine Kopf mit wei-
chen Zügen; das Scepter hält er mit beiden Händen vor sich. Einen
interessanten Beweis für die künstlerische Freiheit, mit der man das Indi-
viduelle behandelte, bietet der Grabstein desselben Königs in der Kathe-
drale von Rouen, wo die Gestalt, in demselben strengen einfachen Styl
behzmdelt, ganz andere, viel gcclrimgenere Verhältnisse und einen grösse-
ren Kopf zeigt, als dort. Ganz ähnlicher Art ist ebendort das Grabmal
eines Erzbischofs Moritz in einer Nische, deren Bogen von kleinen bemal-
ten Engelfiguren umgeben sind. Wie sich geringere Künstler noch um
diese Zeit im Versuch nach einer freieren Brehandlung gelegentlich frucht-
los abquätlten, zeigt in Fontevrault der Grabstein der Isabella von
Angonleme, Gemalin Johanns von England (T IQIS). Die Falten des Man-
tels sind ohne Verständniss hin und her gewunden, auch der Kopf ist sehr
schwach in der Zeichnung; die Hände halten ein Gebetbin-h. Während
alle diese Gestalten noch sehlunnnernd dargestellt sind und (ladurch eine
Parallele zu der befangencn Haltung der Portalstatnten der älteren Zeit
G rab-
rlenkmale.
ntevrault.
1) Ab
in I)idron's Ann.
archöol.
Tom.
Gesc
lnstik.
der P