Drittes Kap
(lische Bih
lGfGi der fr
hgothischen Epoche.
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der Körper wegen gesehatien sind, (leren Bau und Schönheit sie in jeder
Falte vermtlieii, ja hervorheben sollen. Dagegen ist bei den Bildhauern
des dreizehnten Jahrhunderts, weil sie christliche Gegenstände, also im
Körper das Durehseheineu der Seele, des Geistigen zu veranschaulichen
haben, der Körper von geringerer Bedeutung, nur in seinen allgemeinen
Nierhätlhiissen empfunden und noch mehr vom Gewande verhüllt, das in
dem grossen Selnvunge der Falten seine Bewegungen andeutet und leise
naehklingen lasst, etwa wie eine lilclotlic von begleitenden Instrumenten
getragen wird. S0 hat denn hier die christliche Empfindung sich einen
völlig entsprechenden plastiseheirStyl geschaiien und für Alles, was in
ihren Kreis fallt, den angemessenen Ausdruck gefunden. Die holdsclige
hLiebliehkeit der Engel, die stille Seligkeit der Verklärten und Heiligen,
den Ernst der Apostel, die gottergebene Demuth der lilärtyrer, die milde
Klarheit des lehrenden und die feierliche Würde des richtenden Heilandes,
das Alles ist nie höher und reiner von der Plastik dargestellt worden
als hier.
Nicht minder bewundernswiirdig ist die wahrhaft unversiegliche
Sehöpferkraft, in welcher die Plaistilz dieser Zeit kaum von einer andern
lüpeche erreicht wird. Denn das Streben nach plastischem Schmuck
fand nicht blos an den zahlreichen Kathedralen, sondern selbst an be-
Menge der
lM-nkluälexj
seheidenen Pfarr- und Dorfkirehen Platz und suchte, wie die bekannte
Maison des musiciens zu Rheims beweist, auch bei Profangebäiuden sich
zu bethätigen. Bezeichnend ist aber für den Geist der Epoche, dass alle
diese grossen Arbeiten von den bürgerlichen Gemeinden, etwa im Bunde
mit Bischöfen und Domkapiteln getragen werden, dass dagegen die
reichen und mächtigen Klosterorden, an deren Abteikirehen die Kunst
der vorigen Epoche sieh entwickelt hatte, sich in dieser Zeit künstlerisch
unthätig verhalten. Nur die Cisterziensei- machen allerdings eine Aus-
nahme, werden aber durch ihre strengere Regel am häufigeren Betriebe
der Plastik gehindert. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts (lringt nuu
aber mit der gothisehen Architektur auch dieser neue Styl der Plastik in
die übrigen Gegenden Fmnlcreielis ein und ruft in verschiedenen (legen-
den glänzende Werke hervor, von denen einige der wichtigsten hier er-
wähnt werden mögen. An der Kathedrale von Rouen zeigt das nörd-
liche Portal der Westfagade eine elegante noch völlig romanische Orna-
mentik, am Tympanon sehr naive und anziehende Reliefs, im feinen
schlichten Style dieser Zeit. Es enthält die (lesehichtc Johannes des
"lliiufers; man sieht IIerodes tafeln und behaglich der Tochter der Herodias
zuschauen, welche nach der naiven Anschauung der Zeit auf den lläinden
tanzt und den Körper in die llöhe wirft, wäihreinl die lleine abwärts ge-