Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

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plastisvher 
Schmuck. 
Natur-- 
Studien 
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gen die Lieblingsaufgaben der Künstler waren, während die grossen Sta- 
tuen der Portalwvände oft untergeordneten Kräften überlassen blieben. So 
sind namentlich in den beiden unteren Reliefstreifen, wo das Schicksal 
der Guten und der Bösen lebendig geschildert wird, indem einerseits Engel 
die Seelen in Abrahams Schooss tragen, andrerseits satyriihnliche Teufel 
die Vertreter aller Stände in das höllische Feuer schleppen, die Köpfchen 
durchweg von einer Feinheit, zarten Rundung und Schönheit,  sie 
ein fast klassisches (icpräge haben; dabei aber ist über alle eine Heiter- 
keit, ein kinderunseliuldiges Lächeln ausgegossen, das in keiner andern 
Epoche der Kunst so holdselig die Werke der Plastik verklärt und sie 
dem Gemüthc nahe bringt. Auch die sitzenden Gestalten musicirender 
Engel an den Archivolten sind von der grössten Schönheit. 
Aber damit ist der unermessliche Reichthum plastischer Ausstattung 
noch nicht erschöpft. So sind an den Strebepfeilcrn der Chorkapellcii 
kleine betende Engelfigürchen angebracht; -so stehen ringsum wie 
heilige Wächter des Gotteshauses grössere Engel in den Baldachinen der 
Strebepfeiler, an der Südseite fast durchgängig schön, anmuthig bewegt 
und in edlen Verhältnissen; nur bei einigen, die wohl erst dem 14. J zihr- 
hundert angehören, sind die Körper über-schlank, die Bewegungen über- 
zierlieh, die Köpfchen etwas verzwiekt. Au der Nordseite sind sie 
minder gelungen. Endlich ist noch im Innern der Kathedrale die ganze 
Fläche der westlichen SClIlIISSVVZIIIÖ, welche die Portale enthält, mit 
kleinen Statuen in reihenweise übereinander angebrachten Nischen ge- 
schmückt. Es sind bald einzelne, bald zu dramatischen Sccneil, wie 
z. B. der Kindcrinord, verbundene Gestalten. Auch hier zeigen sich die 
Körper frei entwickelt in eleganten Verhältnissen, die ltchandlung ist eine 
vollendet plastische, welche, sich ihrer Mittel völlig bewusst, nament- 
lich durch tief einschneidende Hauptfalten urirksam zu gliedern versteht. 
Einiges erscheint antikisirend, bei anderem ist schon ein übertriebener 
Hang zum Biegen und Wenden der Gestalten zu spüren. Immerhin 
gehören sie zum Besten vom Ende des 13.J ahrhunderts. Am mittleren Por- 
talsturz kommen kleine Gruppen von je zwei Figuren vor, die zum Theil 
die Parabel von den Arbeitern im Weinberge frisch und lebendig vor- 
führen. Einige Figürchen, namentlich an den Seitenportalen, sind auch 
hier übertrieben schlank mit winzigen, etwas geziert lächelnden Köpfen. 
Zum Theil mögen sie schon in's 14. Jahrhundert gehören. 
Für den künstlerischen Standpunkt und die Naturstudien der Meister 
dieser grossartigen Werke drängen sich dem Betmchtendeu charakte- 
ristische Züge in Fülle entgegen. So sieht man (lraussen an den Archi- 
volten des Hauptportatls einen heiligen Sebastian mit genau anatomisch
	        
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