Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Drittes Kapitel. 
Nordische Bih 
lnerei der frühgothischen Epoche. 
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rNebcn dieser lebendigen Pracht der (lewandung wirken andere wieder 
(lurch die schlichte Einfachheit, mit der das Gewand in grossartigen 
Linien lang herabwvallt. (Zwei wieiblicvhc (icstaltcn sind in der lilenaissance- 
zeit erneuert.) 
 Am Süd portal zeigt die südliche Reihe sclnrerc plumpe Gestalten 
mit übergrossen Köpfen, die indess überall schon nach Bewegung und 
Leben ringen. Man sieht Abraham mit dem zum Opfer knieenden Isaak, 
Moses mit den Gesctztafeln, Johannes mit dem Lanun, Simeon mit dem 
Ohristuskind und zwei andere Heilige. Dagegen gehört die Nordreihe 
desselben Portals, welche Bischöfe und Könige enthält, zuden vollendet- 
sten, schönsten der ganzen Kathedrale: leicht und frei bewegt, in klarer 
Gewandbchandluiig, trefflich in verschiedener Charakteristik diuchgcführt, 
haben nur die Köpfe zum Theil etwas Hartes, Scharfes, Dürftiges- 
Am übereinstimmendsten ist die Behandlung in den Figuren des 
Nordportals. Hier sieht man eine Gestalt von grösster jugendlicher 
Anmuth, in der Rechten ein Buch halten, mit der Linken den Mantel 
emporziehen und gegen die Brust drücken, so dass seine Falten in 
grossartigem Schwung bis auf die Füsse niederwallen;  dann wieder einen 
heiligen Stephanus, dessen Diakonengewand in seiner schlichten Behand- 
lung nicht minder schön die Bescheidenheit der Haltung hervorhebt. 
Ueberaus holdselig sind zwei Engel, welche in zutraulicher Weise einem 
schlicht und edel zwischen ihnen stehenden Heiligen zunicken. Alle diese 
Werke athmen die höchste Vollendung des Styls. Unabsehbar ist aber 
der Reichthum von plastischem Schmuck, welcher in zierlichen Reliefs, 
kleinen Figürchen und Gruppen überall noch an den Wänden und in den 
Hohlkehlen der Archivolten angebracht ist und eine ganze Welt von 
naiver Schönheitund Lebendigkeit enthält. An den drei grossen Giebel- 
{iächen über _den Portalen und den beiden der aussern Strebepfeiler sieht 
man in der Mitte die Krönung der Maria, links die Kreuzigung; rechts 
den thronenden Christus von Engeln mit den Leidenswerkzeugen umringt, 
endlich auf den beiden aussersten Feldern die Verkündigung, alles voll 
Leben und Energie, dabei bewundernsivürdig in den Raum componirt. 
 Nicht minder reich sind die beiden grossen Portale an der nörd- 
lichen Facade des Querschilis geschmückt. Hier nimmt am Mittel- 
pfeiler des Hauptportals der heilige Remigius merkwürdiger Weise die 
erste Stelle ein. Er ist würdig und ernst mit etwas grossem Kopfe dar- 
gestellt, in welchem durch allerlei realistisches Detail, z. B. Fältchcn an 
den Augen und auf der Stirn bereits auf einen individuellen Eindruck hin- 
gearbeitet wird. Weit schwerer und plumper sind die sechs grossen Statuen 
an den Portalwitnden, mit so übermassigen Köpfen und so kinderartig 
Gicbelfultler. 
Nördlich 
Kreuzan
	        
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