Zweites Kapitel.
Die
byzantinisch-
T0111?
ische Epoche.
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renden llleistern, und fast jeder setzt in aufkeimendem Künstlerstolze
seinen Namen und die Jahreszahl auf das VOllßlldP-tö Werk. Endlich ist
zu bemerken, dass das lllaterizil durchweg der schöne lllarnior Italiens ist,
der freilich in dieser ganzen Epoche den Künstlern zu Nichts weiter ver-
hilft, iLlS ihr Ungeschick und die Rohheit des Styles nur noch auffallender
zu machen.
Oberitalien zeigt die früheste und selbstandigste bildnerische Tha-
tigkeit. Die ältesten Werke werden die Sculpturcn am Dom von Moden a.
sein, mit welchen die Meister Alicolazw und Wliligzrlzlzzes, letzterer wahr-
scheinlich ein Deutscher, den seit 1099 begonnenen Bau geschmückt ha-
ben. Diese Arbeiten werden daher in die ersten Decennien des zwölften
Jahrhnntlerts fallen. Sie enthalten Darstellungen von Cieschichten aus
dem alten Testamente in einem schwertäilligen und rohen Style, doch nicht
ohne lebendige Motive von Ausdruck und Bewegung. Dieselben Künstler
haben dann seit 1.139 an der Faeadc von S. Zeno in Verona die
S(zhillmfungsgeschichte, Bilder der Monate und Scenen aus der 'I'heoderichs-
sage ausgeführt. Auch diese Werke sind noch ziemlich ungeschickt und
formlos, aber in der Rzuunvcrtlicilung und Composition ist ein Fortschritt
sichtbar, und wenn die Urheber ihre Arbeiten mit den wüsten Reliefs an
der Erzthür (lerselben lrlaeade verglichen, so durften sie sich wohl ihrem
künstlerischen Selbstgefühlc überlassen. Den Nicolaus treffen wir dann
wieder an der Facade des Doms zu Ferrara, dessen Ilauptportal die
Jahrzahl 1135 tragt; doch auch hier sind die Reliefs noch Verhältniss-
massig derb und roh behandelt. Erwagt man, dass die Seulptur in Italien
fast ausgestorben war und dass man für ihre Wiederbelebung nicht wie
bei der Malerei byzantinische Vorbilder benutzen konnte, so erscheint ein
nordischer Einfluss, der obendrein (lnrch den deutschen Namen Wilhelm
einen bestinnnten Anhalt gewinnt, unzweifelhaft. Wir haben hier die
Spuren von einem jener häufig in (lau-Geschichte vorkommenden Wechsel-
verhältnisse. Denn wenn der Norden zuerst durch Anregung der Kunst-
werke des Südens, sowohl antiker als byzantinischer, den Anstoss zur
eigenen Kunstentwricklung erhalten hatte, gab er jetzt dem in Lethargie
versunkenen Süden die [knrcgung zurück, (leren (licscr zur eigenen Erhe-
bung bedurfte. Ein weiterer Beleg dafür ist das Rundfenster an der
Facatlc von S. Zeno zu Verona, welches ein Meister Briololztv (lurch
Anordnung von auf- und absteigenden Figuren zu einem Glücksrade ge-
staltete, wie man es an deutschen und französischen Bauten häufig findet.
In Italien scheint dagegen diese Idee mit dem vollen Reize der Neuheit
aufgetreten zu sein, weshalb denn der Meister in einer langen lnstihrift
mit Lobsprlichcn übcrhailft und. ein erhabener, verchrungswürtligcr Mann
Verona.
Ferrara.
Verona