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Dritt-es Buch.
S. Denis.
Le Mans.
Gegensatz. Denn dort war alles schon vom Gefühl organischen Lebens
(lurchdrungen und nur die Köpfe verhielten sich noch starr und ausdrucks-
los; hier (lagegen regt sich das neue Leben zuerst in den Köpfen, während
der übrige Körper in schemzttischer Gebundenheit von den Fesseln der
Architektur umfangen wird.
Weniger gut erhalten und neum-tlings tiurch gründliche Wieder-
herstellung stark erganzt sind die Seulpturen an der Fagzitle der Abtei-
kirche von St. Denis bei Paris. Da sie dem durch Abt Sugei- auf-
geführten 1140 eingeweihten Baue angehören, so sind sie für die Datirung
dieser Werke von Wichtigkeit. Am südlichen Portal haben die Pilaster
in zierlichen Arabeskenrauken eine Darstellung der 12 Monate, im
Bogenfclde sieht man eine legendarische Scene; am Nordportal sind die
Zeichen des Thierkreises, an der Hauptpforte das Weltgericlrt, alles aber
so stark restanrirt, dass ein Urtheil über den Styl nicht mehr gestattet
ist. Besser sind die Sculpturen am Nordportale des Querschiffes erhalten,
welches ohne Zweifel noch vom Baue Sugers herrührt, der gleich nach
1140 begonnen und in wenig mehr als drei Jahren vollendet wurde. Die
Statuen von fürstlichen Personen an den beiden Wänden zeigen die volle
Strenge des Styles, und dieselbe Auffassung herrscht in den Reliefs des
Bogenfeldes. Ungleich bedeutender jedoch ist das IYIaupt-portal am süd-
lichen Seitenschiffe der Kathedrale von le Man s, eins der reichsten und
prachtvollsten der gesammten romanischen Kunst. Es ist im Styl den
Werken von Chartres zu vergleichen, steht aber auf einer höheren Stufe
der Entwicklung, so dass es dem ikusgange der romanischen Epoche
zugerechnet werden muss. S0 sind die Kapitale in der elegantesten und
freiesten Umbildung der korinthischen Form ausgeführt, selbst die Deck-
platten mit zierlichstem Laubwerlä, dieiSehafte der Säulen, auf denen
dieFiguren stehen, wie in Chartres, reich variirt mit bunten Mustern.
Alles Uebrige dagegen ist der freien Seulptur vorbehalten. Auf den
Kapitälen stehen zehn säulenartig starre Gestalten in antiken Gewan-
dern mit mannigfachen Motiven, aber durchaus in troeknem parallelen
Gefalt, starr und gezwungen in Haltung der Köpfe und der Leiber.
Dennoch bricht auch hier in den schlanken Verhältnissen und mehr noch
in dem Typus der Köpfe mächtig die Ahnung eines neuen Lebens hervor,
das nur noch zu abhängig von der Architektur ist. Man erkennt Petrus
und Paulus, dann andere Heilige, endlich Könige und Königinnen, schon
voll Jugend und bei aller Strenge doch von einem Hauche seelenhafter
Anmuth umspielt. Am Tlhürsturz sitzen in einer kleinen Säulengalerie
die zwölf Apostel, kurze, schwere, gedrungene Gestalten, die Wiederum
beweisen, dass der gesammten S(E11lptlll' dieser Zeit keine festen Gesetze