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Drittes Buch.
Vezelay.
Denkmiile]
der franz.
Schweiz.
drüeken suchen. Die Kunst erhebt sich in diesen Scenen zu einer
greifenden Grossartigkeit, die freilich im Sinne der Zeit im Gewande
dämonischer Phantastik auftritt. Der Meister dieses Bildes nennt sich
Gislebcrtzesu Dieselben langen Gestalten in fein gefitltelten, schematisch
behandelten Gewändern, mit flatternd bewegten Zipfeln finden wir an
den bedeutenden Bildwerken der Abteikirche von Vezela): Am Haupt-
portale sieht man die feierliche Gestalt des thronenden Christus sammt
den Aposteln, begleitet von einer Menge kleinerer Darstellungen. Aaich
hier erkennt man, wie die Künstler dieser Gegend nach einer neuen Auf-
fassung der heiligen Gestalten ringen und (ladurch einem neuen, mit
Phantastik seltsam gepaarten Schematismus verfallen. An den Kapitalcn
im Innern der Kirche ergeht dieselbe übersclnvangliehc Richtung sich in
einem tmgleich (lerbcren mehr naturalistischen Style.
An diese Gruppe reiht sich auch, was in der französischen Schweiz
von plastischen Werken dieser Epoche gefunden wird. Die (lortigen Monu-
mente folgen der mehr in Frankreich als in Deutschland vorkommemleii
Unsitte, die Kapitale mit figürlichen Darstellungen von selbständiger
Geltung zu bedecken. Noch vom Ausgange des 11. oder doch aus der
Frühzeit des 12.Jalirhunderts rühren die (lerartigen Sculpturen der Kirche
zu Grandson. 'I'hier- und Menschenfiguren, Löwen, Adler, fratzenhzifti:
Masken wechseln mit einer thronenden Madonna und einem S. Michael,
der den Drachen tödtet; Alles in derber Behandlung und roher, un-
gefüger Auffassung. Wilder regt sich eine losgelassene Phantastik an
den Kapitälen der Abteikirehe von Payerne, wo namentlich allerlei
Kampfscenen mit siehtlicher Lust am Leidenschaftlichen, Dramatischen
aufgenommen sind. Endlich tritt derselbe ungcbiirdige Styl in Form
einer heftigen Reaction an den ähnlichen Arbeiten der Kirche Notrc Dame
de Valere zu Sion hervor. Hier herrschen an Kapitälen und Deck-
platten figürliche Darstellungen vom barocksten Charakter, theils sym-
bolischen, theils historischen, theils phantastischen Inhalts: Drachen,
welche kleine menschliche Figürchen verschlingen, ein Höllenrachen,
aus welchem Fische hervorgehen, die ebenfalls Menschen hinabwtirgen,
dann wieder der thronende Christus in der hässlichsten Missgestalt nebst
anbetcnden Engeln, endlich Schlangen, Löwen, Adler, Böcke, zum Theil
in den versehrobensten Stellungen. Diese Arbeiten werden der Spätzeit
des 12. Jahrhunderts angehören. Vom Ende desselben, wenn nicht viel-
mehr vom Anfange des 13. Jahrhunderts, (latirt die überaus reiche Orna-
mentik der Kathedrale von Genf. Sie bedeckt sammtliche Kapitale der
reich mit Säulehen gegliederten Pfeiler und verbindet mit hoher Eleganz
des korinthisirenden Blattwerks eine seltsame Rohheit alles Figür-