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Drittes Buch.
antikisirender Weise (lurch Architrave verbunden sind. Letztere bilden
ein breites horizontales Band, welches sieh über die ganze Fagade hinzicht
und an den drei Portalen als Thürsturz eintritt. Dies ganze Band ist in
voller Ausdehnung als ununterbrochener Relieffries behandelt, welcher im
Geiste antiker Sarkophetgreliefs die Leidensgctschiehtc Christi vom Ein-
zuge in Jerusalem, der den Thürsturz des nördlichen Portales bedeckt,
bis zur Auferstehung am südlichen Portale enthält; wobei in
Anordnung das Abendmahl und die Fussxraschiing Petri die Breite des
Hauptportales einnehmen. Da der Künstler für die Kreuzigung eines höhe-
ren Raumes bedurfte, so brachte er diese im Bogenfeltle des südlichen
Portales an, fügte dem entsprechend in dem nördlichen die thronende
Maria mit dem Kinde bei, das von den heiligendl-(ii Ktinigen verehrt wird,
und gab dem Hauptportale die Darstellung des Weltriehters inmitten der
vier Evangelistensyrmbole. Entllich stellte er an den unteren Wandfeltleril
der Fagatlc in Nischen, welche von kanellirten Pilastern eingerahmt wer-
den, die fast lebensgrossen Statuen der zwölf Apostel auf. Letztere, in
einem strengen feieirlichen Style und in antiker Gewandung mit hartem
aber zierlich feinem Gefält, erinnern in überraschender Weise an die
Apostel der Miehaelskirche zu Hildesheim. Ist in ihnen das Typische,
Strenge vorherrschend, so entwickeln dagegen die kleinen Itelieftlarstel-
lungen an den Architraven die ganze Frische und Lebendigkeit dieser
Epoche; zwar nicht in den nocheonventionell behandelten Köpfen, wohl
aber in den Geberden und Bewegungen der Körper. Scenen wie die Ver-
treibung der Käufer und Veildtufei- aus dem Tempel, die Fussxiraschung
Petri, die Geissehlng und die Kreuztragung sind voll sprechenden (lrania-
tisehcil Ausdrucks. Es giebt kaum einen lehrreiehcren läeleg für den
Kampf des neuerwaehten Naturgefühls mit der starren tiberlieferten Form,
zugleich auch für das wachsende Geschick zu klarer Anordnung eines
grossen architektonisch-plastisehen Ganzen als dies grossartige Werk.
Ungefähr gleichzeitig (angeblich um 1'154, aber doch" wohl gleich dem
vorigen erst in den späteren Decennien des zwölften Jahrhunderts ausge-
führt) i") sind die ebenfalls umfangreichen und wichtigen Seulpturen an
der Facade von St. Trophime in Arles. Dem Anfange des zwölften J ahr-
hunderts dagegen werden die umfangreichen Bildwerke zugeschrieben,
welche in der Abtei Moissac, nordwestlich von Toulouse, sich erhalten
haben. An den Säulenkapititlen des Kreuzganges sieht man nicht blos die
Dass auch im Mittelalter die plastische Aussehmückung der Kirchen oft erst
später dem vollendeten Gebäude hinzugefügt wurde, wird in manchen Fällen aus-
drücklich bezeugt und muss in vielen anderen ebenfalls angenommen werden.