Zweites Kapitel.
Die byzantinisch-
-ro1naniscl1e Epoche.
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Gestalten in ilacherem Relief oder legendalische 50011011 ill hißdäillons-
Alle Flächen werden durch reiches Ornament und durch eingelegte Email-
len, sowie Edelsteine und antike Geinmeil versehwrenderiseh geschmückt.
Der Ilauptsitz dieser Arbeiten scheint das Rheinland gewesen zu sein,
denn die dortigen Kirchen bewahren noch jetzt die grösste Anzahl solcher
Prachtstücke. Das Figürliche an ihnen bleibt aber durchweg typisch un-
c-ntwickelt und starr, obwohl die Mehrzahl dieser Prunkstücke dem Aus-
gange der romanischen Epoche angehört. Eins der grossartigsten ist der
Schrein der h. drei Könige illl Dom zu Köln, um 1198 angefertigt; zwei
ebenfalls sehr stattliche ebendort in S. Marien in der Sehnurgasse; andere
in S. Ursula und in S. Severin; ferner in der Kirche zu Deuz der Heri-
bertskasten; Mehreres von grossem Interesse in der Kirchezu Siegburg;
einer der praehtvollsten im Schatze des ltiünsters zu Aachen, der Schrein
Karls des Grossen. Sodann im Dom zu Osnabrück die beiden Reli-
quiarien der heiligen (Yrispinus und Crispinianus; im Dom zu Hildesheim
der Schrein des h. Godehard. Von verwandter Arbeit sind sodann die
prächtigen Antepentlien, deren die Kirche zu Komhurg eins der reich-
sten, schönsten und bcstcrhaltcnen vom Ende der romanistrheli Epoche
besitzt. Doch liegt hier der Nachdruck auf den überaus eleganten Email-
len, welche aus ornainenttaleii Mustern von grosser Manniclxfaltigkeit und
Zierlichkeit bestehen; (lagegen sind die getriebenen Rcliefiigürchen des
thronentlen Christus und der Apostel typisch starr und byzantinisirend.
(Das Glanzwerlä deutscher Goldsclnniedekunst, das" Antependium von
Kloster-Neuburg bei Wien, verzichtet ganz auf plastischen Schmuck
und gehört daher nicht hierher.)
Unter den übrigen Inandern nimmt Frankreich nächst Deutschland
die erste Stelle ein. Auch hier leiten die höheren dekorativen Ansprüche,
welche die Architektur erhebt, zu einer umfassenderen Anwendung der
Idastik hin. Zuerst tritt dies in den südlichen Provinzen hervor, wo die
zahlreichen antiken Ueberreste den Sinn für plastische Form weckten und
die lland (lerWerkleute früh zu reichen (lekorativen Leistungen anregten.
In der Regel galt es hier, mit der zierlichen Pracht der häufig bei Neu-
bauten benutzten antiken Bruchstücke zu wetteifern, und das geschah in
einem Style, der allerdings in Auffassung der Form dem byzantinischen
'I'ypus sehr nahe steht, in der Composition und gesammten Durchführung
aber sich antiken Sarkophagsculpturen anschliesst. Zu den umfangreich-
sten Werken dieser Art gehört die plastische Ausschmücktmg der Facade
von St. Gilles, unweit Arles in der Provence gelegen. Der 1116 ange-
fangene Bau zeigt die reichste Verwendung antiker Bruchstücke, marmor-
ner Säulen mit fein ausgeführten korinthischen Kapitalen, die ebenfalls in
Frankreich.
Plastik im
Süden.
Gllles.