Zweites Kapitel.
Die
xyzantinisch-
aromanische Epoche.
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und Bewegung ringenden Style. Von Symbolik ist hier nirgends die Rede,
selbst historische Seenen kommen nur ausnahmsweise vor, wie der schla-
fende Simson, welchem Delila die Locken abschneidet; alles Andere
scheint übermüthige Steimnetzenlaune. Ungefähr derselben Zeit werden
die Portalseulptureii der Stiftkirehe zu Neu chatel angehören, zwei
Heilige in barbariseh rohem Styl, (laneben knieend eine baroek-pllanta-
stisehe ÖFeufelsgestalt. Hier mögen denn auch die (lekorativen Bildwcrke
des Wünstmars zu Basel angeschlossen werden, die freilich schon dem
13. Jahrhundert angehören. Am Aeusseren des Chores sieht man reiche
Friese mit humoristischen Darstellungen aus der Thierfabel; im Innern
sind die Säulen des Chornuligaiiges mit naiven Seenen aus der Geschichte
von PyTamus und Thishe geschmückt.
Eine besondere Gattung von Denkmälern, die in der Folge von grosser
Bedeutung für die Plntwiekelung der Plastik werden sollten, die Grab-
steine, sind in dieser Epoche nur ausnahmsweise künstlerisch durchgeführt.
Man begnügt sieh hiiiliig, nur ein Kreuz in die Platte zu graviren, und
erst selten versueht man die Gestalt des Verstorbenen in eingeritzten
Linien oder in flilCllClll Relief darzustellen. Der letztern Art ist der an-
Grabsteine.
gebliehe Grabstein der Plektrndis am Chor von St. Maria im Capitol zu
Köln; ferner das Denkmal Vlittekinds in der Kirche zu Enger in West-
falen, jedenfalls erst gegen Ausgang der romanischen Epoche, wohl nicht
vor dem 13. Jahrhundert entstanden, mit jugendliehem Kopf, dessen
Augen ehemals (lnreh Edelsteine bezeichnet wurden, in langem streng be-
handelten Gewande, das Ganze ehemals bemalt. Ferner in der Kirche zu
Freekenhorst eine weibliche Gestalt in fein gefaltetem Gewande; im
Dom zu NVürzb nrg der Grabstein des Bischofs Gottfried von Hohenlohe
(starb 1198), noch hart und steif, mit geringem Naturgefühl und sehr
schwacher Zeichnung des Kopfes wie der Gewandung; endlich in St. Thomas
zu Strassburg das Grabmal des Bischofs Adaloch, mit schwerfäilligcn
figürlichen Darstellungen geschmückt.
Neben der Steinselllptur nimmt auch jetzt der Erzguss in Deutsch-
land eine wichtige Stelle ein, denn er knüpft nicht blos an die technischen
Leistungen der vorigen Elaoehe an, sondern weiss für sich, nament-
lich in Anordnung und Gliederung des Ganzen, die Ergebnisse der neuen
Zeit zu verwertheii. Schon im Anfange des Jahrhunderts erlangen in den
westlichen Gegenden die Künstler von Dinant solchen Ruf in Arbeiten des
Erzgusses, dass in den anstossenden Provinzen Frankreichs die Erz-
giesser lange Zeit Dinandiers genannt mirden. Ein bedeutendes Werk
dieser Schule ist das Taufbecken in St. Barthelemy zu Lüttich, welches
Lübke, Gesch. der Plastik. 20
Exzguss.