Zweites Kapitel.
momanische Epoche.
Die' byzantinisch-
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Regensburg zeigt sich an der Idaeade der Kirche von Göcking, die
als Filiale des Schottenklosters wohl von dort aus ihre Bauleute emptingr).
Die wirre Anordnung, in welcher sich hier christliche Gestalten mit phan-
tastischen Thier- und Mcnschenfiguren kreuzen, liefert einen neuen Beweis,
wie der bildnerische Trieb der Zeit den engen Rahmen romanischer Portal-
anlagen zu überwuehern anfängt. Dagegen drängt sich am Hauptportale
der Klosterkirche zu Windberg, bis 1167 erbaut, das reiche plastische
Leben in die Ornamentik der Kapitale zusammen, und lässt im Bogenfelde
die Maria inmitten der beiden Stifter klar hervortreten. Aehnliehe Portal-
seulpturen zeigen die Kirche zu Ainau, wo Christus inmitten von fünf
Heiligen erscheint, und wo zugleich im Relief der Einzug Christi nach
Jerusalem in derben Figuren aber glücklicher Bewegung und lebendigem
Ausdruck mrkommt; zu Biburg (Christus als Richter umgeben von selt-
samen Thiergestalten), die Münsterkirche zu Moosburg (Christus sammt
Maria, dem heiligen Castulus und zwei Wohlthätern der Kirche, Heinrich
dem Heiligen und Bischof Adalbert von Freising, kurze, derbe Gestalten
in schlichter Gewandung und streng architektonischer Haltung). Völlig
in's Ornamcntale läuft die Darstellung eines Kampfes mit dem Drachen
am Portal der Peterskirche zu Straubing (und ganz dasselbe an der
Kirche zu Altenstadt) aus, so dass hier wie bei manchen Initialen der
Manuscripte die Figuren fast nur dieBedeutung kalligraphischer Schnörkel
haben.
Spricht alles dies für eine besonders regsame Phantastik in der bay-
rischen Sculptur, so muss die grosse Säule in der Krypta des Doms zu
Freising geradezu als das Prachtstück dieser Richtung bezeichnet wer-
den Vom Fusse bis zum Kapital ist das Ganze in ein Gewirr von
menschlichen Gestalten, Drachen und anderen ungeheuerlichen Zusammen-
setzungen aufgelöst, eine wahre lilartersäule für die gelehrte Auslegung.
Man sucht diese Gebilde, welche inschriftlich von einem Meister Luit-
precht herrühren, durch altnordische Sagen zu erklären, eine Deutung,
die um so ansprechender scheint, da gleichzeitig im südlichen Deutschland
die Efllöllßfllllg gerlnanischer Sagenkreise in der Dichtung beginnt und
uns neben manchem Anderen im Nibelungenliede das {Iauptwerk unserer
ältesten nationalen Poesie geschaffen hat. Aus diesem vergleichenden
Hinblick crgiebt sich denn auch, wie viel günstiger, weil freier und von
kirchlichen Rücksichten ungehemmt, der Dichter jenem Stoffgebiete gegen-
übertrat als der Plastiker. Ebenso unfrei verhielt sich der Bildhauer in
Freising.
L
7, mit Abbildung.
{S2 u. 183.
k) Sigharl, Kunst in Bayern, S- 137
M) Abbild. bei Sigharl, a. a. O. S. 1