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Drittes
Buch.
der Arkaden des Langhailses auf 's Reichste mit Stuckornanlcnten bekleidet,
und auf den prachtvoll dekorirtcn Kapitälen erheben sich im Seitenschilf
grosse Heiligcngestalten mit Spruchbändern, ebenfalls streng und herb
im Styl, aber die glänzende Ausstattung dieses grossartigen Denkmals
würdig abschliessend. Die sinnige Verwendung schwebender Engel mit
ausgebreiteten Flügeln kehrt sodann in grossartiger Fassung an den Ar-
kaden der Kirche zu Hecklingen, ebenfalls aus der Spatzcit des zwölf-
ten Jahrhunderts, wieder. Bemerkenswerth ist, dass das klare künstle-
rische Streben die sächsische Schule, ähnlich wie die westfälische Plastik,
vor der abstrusen Phantastik, die wir in den Bildwerken anderer Gegen-
den finden werden, bewahrt zu haben scheint. Um so leichter bricht sich
hier ein frcier künstlerischer Humor Bahn, wie z. B. in den Reliefs an der
Aussenseite des Chors der Kirche zu Königslutter, wo die Momente
der Hasenjagd dargestellt und schliesslich dahin parodirt sind, dass die
beiden verfolgten Hasen den Jäger überwältigen, niederwierfen und ihm
schadenfroh die Hände zusammenbinden.
In Süddeutschland sind es in erster Linie die bayrischen Lande,
welche sich an einer reicheren Uebung der Plastik betheiligen ü). WVäh-
rcnd es auch hier nicht an Werken einer schlichten und klaren, aber das
typisch Hergebrachte nicht überragenden Behandlung fehlt, erhebt sich
gegen Ausgang der Epoche mit einer gewissen drangvollen Energie das
Streben in grössercn Bilderkreisen eine Fülle symbolischer Beziehungen
auszubreiten. Neben mancherlei dunklen christlichen Anspielungen gewin-
nen, wie es scheint, die halbvcrsehollenen Gestalten der alten nordischen
Sagen ein neues dämonisches Leben und mischen sich mit jenen An-
schauungen zu einer Phantastik, die in unkünstleriscliein Durcheinander
ihre wilden Aphorismen planlos über Portale und Fagatlen der Kirchen
hinstamineltßt). Ein Prachtstück dieser Art ist das Portal von St. Jakob
zu Regensburg, eine Stiftung schottischer Mönche, wohl nach 1184
ausgeführt. In künstlerischer Hinsicht sind diese Werke von auffallender
Rohheit und völligem Mangel eines frischeren Lebensgefühls. In Regens-
burg finden wir aus etwas früherer Zeit (um 1140) an den symbolischen
und heraldisehen Figuren der Donaubrücke einen merkwürdigen Beweis
von der vielseitigen Thatigkeit, welche man damals von der Bildnerei
verlangte. Ein geringerer Nachklang der Phantastik von St. Jakob in
Zahlreiche Notizen in igiglzarßs Mittelalt. Kunst in der Erzdiöz. München-
Freising (Freising 1856) u. in (Iesselbcn Verf. Gesch. d. bild. K. im Königr. Bayern,
S. 177-199. Den hinzugefügten Abbildungen mangelt die geilaue Charakteristik.
Vergl. die treffenden Bemerkungen in A. Springen-ä: Ikonograpliischen Stu-
dien in d. Mitcheil. d. Wiener Central-Comm. 1860. N0. 2.