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Drittes Buch.
Elfenbein-
schnitzerci.
Zwei Stylc.
Einfluss von
Byzanz.
WVeitere
Beispiele.
ersten Epoche fast bis ins 12. Jahrhundert hinein ausschliesslich Klein-
kunst. Sie ist das Aschenbrödel und muss froh sein, in Nebenarbeiten sich
hülfreich erweisen zu können. Es. ist anziehend zu beobachten, mit
welcher Unverdrossenheit sie sich ihrer undankbaren und schwierigen
Aufgabe unterzieht, und wie sie gerade durch diese Schule in technischem
Geschick und Eriindungskraft allmählich erstarkt, so dass sie später allen
grossen Aufgaben wohl vorbereitet entgegen tritt.
In erster Reihe steht die Elfenbeinarbeit. Sie ist fast ausschliesslich
wie alle Kunst dieser Zeit für kirchliche Bedürfnisse thatig. Sie schmückt
die kleinen tragbaren Altäre nach Art der ehemaligen Diptychcn an der
Innenseite mit Reliefs; sie stattet die Deckel der Bücher, bisweilen auch
die Hostienbüchsen und andere kirchliche Gerathe mit Bildwerken aus.
Hie und da finden sich auch Schmuckkästchen, Kämme, J agd- und Trink-
höiner in Elfenbein ausgeführt. Man kann in diesen Werken zwei Style
unterscheiden. Der eine ist jener barbarisch verwilderte, welcher auf
einer immer mehr verblassten antiken Anschauung beruht; der andere
schliesst sich byzantinischen Vorbildern an. Bis zu welcher Rohheit der
erstere herabgesunken war, beweist initer Anderem der zingebliche Reli-
quienkasten Heinrichs I. in der Schlosskirche zu Quedlinburg, an
welchem die drei Marien am Grabe des Herrn, Christus, welcher die
Jünger segnet, die Fusswaschung Petri und die Verklärung Christi in
plumpen schwerfälligen Gestalten und mit unbeholfenster Technik darge-
stellt sindft) Man begreift leicht, dass solchen Werken gegenüber die
saubern und zierlichen Arbeiten byzantinischer Künstler gewaltig impo-
niren mussten. Denn gerade die beweglichen Werke dieser Art gelangten
durch Handelsverkehr und manche persönliche Beziehung nach dem Abend-
lande und wurden dort Gegenstand der Bewtmderung und Nachahmung.
Für Deutschland war die Vermahhmg Ottois II. mit der griechischen Prin-
zessin Theophano (972) ein besondrer Anlass zur Verbreitung byzanti-
nischer Ktnist. Das Hotel de Cluny zu Paris besitzt eine Elfenbeintafel
mit der Darstellung Christi, der segnend seine Hände auf die Köpfe der
viel kleineren Gestalten Ottois und seiner Gemalin legt. Letztere Beide
sind mit steifen byzantinischen Prunkgewändern angethalli die Gestalt
Christi dagegen zeigt in Gewand und Haltung etwas feierlich Grossar-
tiges; die Ausführung ist sorgfältig und zierlich.
Eine grosse Anzahl ähnlicher Arbeiten zeugt noch jetzt für die weite
Verbreitung dieses Styles. So namentlich einige Relieftafeln in der Bi-
bliothek zu Würzburg, welchc den heiligen Nikolaus in'Verehrung der
w) Eine charakteristische Abbildung in Kuygloräs" K1.
Schriften I.
628.