Zweites Kapitel.
Die byzantinisch-
unnxanische Epoche.
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noch in die Formen des antiken Lebens gebannt war und seine Haupt-
träger in den antiken Kultnrvölkern hatte. Selbstals das Frankenreich
unter Karl dem Grossen in durchgreifender Weise sich an die Stelle des
alten Römerreiches setzte, blieben die Kultur- und Kunstfornien der an-
tiken Auffassung und ihrer byzantinischen Umbildung unterworfen. Erst
als das karolingisehe Weltreich durch den Freiheitsdrang der germani-
schen Völker gesprengt war und die individuelle Selbständigkeit dieser
Stämme sich in neuen volkstbümlichcn Einrichtungen zur Geltung brachte,
drang dieser belebende Odem auch in die bildende Kunst und eröffnete
ihr die Aussicht auf eine neue Entfaltung.
ZWEITES
KAPITEL.
Die
byzantinisch-romanische
Epoche.
Um den merkwürdigen Prozess der Entwicklung einer neuen christ-
lichen Kunst zu begreifen, darf man vor Allem nicht vergessen, dass das
Christenthum den germanischen Völkern als eine fremde, dem fernen
Orient entstammende Frucht aufgedrangt wurde. Feindselig trat es
gegen alle nationalen I-Ieiligthümer- auf, zerstörte die Anschauungen des
rohen, einfachen Naturlcbcns, achtete die volksthümlichen Gottesideen und
setzte dafür etwas nach Form und Inhalt Fremdartiges an die Stelle.
Wir wissen, mit welch zäher Anhänglichkeit unsere Vorfahren an heidni-
schen Ueberlieferungen hingen, mit welch todesmuthiger Tapferkeit sie
ihre Freiheit, ihren Hcerd und ihre alten Götter verthcidigten, mit welcher
Hartnäckigkeit sie lange nach ihrer Unterjoclumg unter das Kreuz sich
immer wieder empörten und die vcrlorne Sache offen und geheim von
Neuem ergriffen. Als aber diese Anstrengungen sich vergeblich erwiesen
und die neue Lehre mit Gewalt der Waffen dauernd befestigt wurde, ent-
stand zunächst eine Gahrung, die das mühsam zu Stande gekommene
Werk wieder zu zertriiinmern drohte. Germanischer Freiheitssinn War es,
der sich gegen die römische Centralisation des karcliiagischen Reiches
auflelinte und die ehernen Bande sprengte, welche das Sonderleben der
Stämme ersticken wollten. Zunächst entstand nun eine Vei-wirrilng, die
Alles in wildeste Anarchie auflöste. Es schien kein innerer Halt die Ge-
Das Chri-
stemhunx
und die
Germanen.