278
Buch.
Drittes
tike11 Traditionen mehr und mehr der Erstarrung verfielen. So ein Dip-
tychon des Constantius und ein anderes des Justinian in der Bibliothek
des Palazzo Riecardi zu Florenz. Wie diesen Diptycheil in christlicher
Zeit Tragaltare und Buehdeekel nachgeahmt wurden, beweist die Elfen-
beintafel Herzogs Urso aus dem 8. Jahrhundert im Archiv des Kapitels
von Cividalet) mit atlsdrueksloser antikisirender Darstellung des Ge-
kreuzigten, welcheln der Hauptmann die Seite durchsticht, wvahrend S01
und Luna als Brustbilder in Medaillons trauernd niederblieken.
Endlich ist des verschwenderischen Gebrauchs der Prachtmetallc zu
gedenken, in denen man die kirchlichen Gerathe und Gefasse auszuführen
liebte. Die Kostbarkeit dieser Arbeiten hat den meisten den Untergang
gebracht; doch ist als eins der umfangreichsten Werke das Antependium
des Hauptaltares von S. Ambrogio in Mailand erhalten, eine Arbeit des
neunten Jahrhunderts, inschriftlieh von einem Meister Wolvinus ausge-
führt. Es ist eine Bekleidung von Gold oder vergoldeten Silberplatten,
durch erhabene reiehverzierte Streifen in viele kleine Felder eingetheilt.
Diese Felder sind in getriebener Arbeit mit Reliefdarstellungen ge-
schmückt. An der Vorderseite sieht man Christus, umgeben von den Zei-
ehen der Evangelisten und der zwölf Apostel, sodann zwölf Seencn aus
seinem Leben, von der Verkündigung bis zur Himmelfahrt. Die beiden
Sehmalseiten haben nur Einzelgestalten von Engeln und Anbctenden. Die
Rückseite enthält die Geschichte des heiligen Ambrosius und in der Mitte
die Erzengel Michael und Gabriel, sowie die Segnung eines gewissen
Angilbertus und des Wolvinus, ohne Ziveifel des Stifters und des Verfer-
tigers dieser Praehthekleidung. Der Styl ist bereits weit von antiker Rein-
heit entfernt, obwohl in der Gewandung noch die Antike festgehalten wird.
Ueberwiegend ist aber sowohl im Geiste der Darstellung wie in der Zier-
lichkeit der Arbeit die Einwirkung byzantiniseher Kunst. Bei anderen
ähnlichen Prachtwerken wird die Plastik von der Sehmelzmalerei und dem
Niello verdrängt, oder vermag neben diesen beliebteren Darstellungs-
mitteln nur in untergeordneter Weise sich zu erhalten.
Ueberblickt man das halbe Jahrtausend altehristlicheu Kunstbetriebes,
welches immer noch von antiken Reminiscenzen zehrt und in innner ro-
herer, geistloserer Weise die wenigen neuen Typen und Darstellungskreise,
die das Christenthum hervorgerufen hatte, wiederholt, so wird man ge-
stehen müssen, dass die neue Gottesanschailung der bildenden Kunst
einstweilen keine Fortschritte, sondern nur immer tieferen Verfall gebracht
hatte. Dies konnte auch nicht anders werden, so lange das Christenthuni
E 17101 borgw-Ia.
246 Ff.