Viertes Kapitel.
Die Bildnerei bei den Römern.
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perspektivische Vertiefung des Grundes ausschliesst und jede Gestalt
möglichst klar in ihrem vollen Umriss auf demselben Plan zu entwickeln
strebt, reicht für diese redseligen Compositionen nicht mehr aus. Die Fi-
guren werden gedrängt, die Gruppen gehäuft, und im Sinne orientalischer
Bildwerke wird die landschaftliche und architektonische Umgebung in
realistischer Ausführlichkeit mitgegeben, so dass das (lichte Gedränge
der Gestalten auf malerisch abgestuftem Hintergrunde sich wie in einem
Gemälde über einander schiebt. Dadurch erhalten die vordersten Figuren
ein Hochrelief, welches theilweise sogar in Freiscnlptnr übergeht; der
gesammte Charakter dieser Darstellungen aber gewinnt ein überkraftiges
Leben, das im Gegensatz zur schlichten Klarheit griechischer Reliefs den
Eindruck einer gewissen Ueberladung macht. Dagegen ist nicht zu leug-
nen, dass diese Werke in Verbindung mit der reichen Ornamentik den
Bauten der Römer einen Ausdruck von strotzender Lebensfülle und ge-
diegcner Pracht geben, mit dem keine andere Architektur der Welt wett-
eifern kann.
Zu den frühesten Arbeiten dieser Art gehören zwei Bruchstücke von
einem Thiumphbogen des Claudins, welche sich in der Villa Borghese zu
Rom befinden. Es sind trefflich gearbeitete aber sehr zerstörte Dar-
stellungen eines Siegeszuges mit 'l'rophäen, die Gestalten kraftvoll und
lebendig bewegt. Von ähnlicher Art, aber besser erhalten, sind die beiden
grossen Reliefs an den inneren Wänden des Titusbogens zu Rom, welcher
im Jahre 81. n. Ohr. dem Kaiser wegen des Sieges über Jerusalem errichtet
wurde. Das eine der beiden grossen Reliefs (Fig. 106) schildert den Theil
des Zuges, der mit den heiligen Tempelgeräthen, der Bundeslade und
dem siebenarmigen Leuchter eben in den Trimnphbogen einzutreten im
Begriffe ist. Die Gestalten sind dicht gedrängt, aber höchst lebendig in
markiger Fülle und mit dem straifen elastischen Sieger-schritt hingestellt.
Auf dem andern Relief sieht man die arg zerstörte Gestalt des Imperator-s
auf der Quadriga, von der Göttin Roma geleitet und von Lictoren um-
geben. Der Triumphat0i' wird von der neben ihm stehenden Victoria ge-
krönt. In der Mitte der Wölbung sieht man den vom Adler emporgetra-
genen Kaiser. Endlich sind an beiden Facadcn des Denkmals die Friese
mit einer kleinen Relieftlarstellnng des Opferzuges geschmückt. Die
Opferstiere, von Priestern und Dienern begleitet, dazwischen siegreiche
Krieger in der Friedcnstracht mit Schilden und Feldzeichen; ausserdem
wird die Statue des ruhenden Flussgottes Jordan einher-getragen. Diese
Friese, in der Erfindung armselig und in der Anordnung monoton,
kennen nichts mehr von griechischer Lebendigkeit, sondern stehen wieder
ganz auf dem Standpunkte der ähnlichen Werke zu Persepolis. Man
Bogen
Clau
des
ins;
Bogen des
Tims.